Justiz-GAU Seit 30 Jahren vor Gericht

Er wollte lediglich eine Baugenehmigung für einen Supermarkt - seit mehr als 30 Jahren steht ein Geschäftsmann deshalb vor Gericht. Deutschland verstößt damit gegen das Menschenrecht, urteilte der Europäische Gerichtshof.

Die Bundesrepublik Deutschland hat wegen eines über 30 Jahre dauernden Rechtsstreites gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen. Zu diesem Urteil kam in Straßburg der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Die Straßburger Richter sprachen dem Kläger, einem Unternehmer aus dem Saarland, eine Entschädigung in Höhe von 45.000 Euro zu.

"Opfer eines schweren Verstoßes"

Er sei Opfer eines "besonders schweren Verstoßes gegen das Grundrecht auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist" gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Kläger habe unter dieser Prozesslawine "praktisch während seines gesamten Berufslebens" zweifellos "schwer gelitten", zumal die Gerichtskosten über die Jahrzehnte zu seinem geschäftlichen Bankrott geführt hätten.

Mehr als 30 Jahre hat der heute 66-Jährige vor deutschen Gerichten um eine Baugenehmigung für einen Supermarkt in Saarbrücken und eine Entschädigung gestritten. Der Betroffene, der in Straßburg einen Schaden in Höhe von knapp 250 Millionen Euro geltend gemacht hatte, reagierte enttäuscht auf das Urteil.

Geschäftsmann hofft auf Entschädigung

"Das ist ein moralischer Sieg, für den ich mir nicht viel kaufen kann", sagte der in Nonnweiler (Saarland) lebende Mann. Er hoffe jetzt auf sein noch anhängiges Entschädigungsverfahren gegen das Saarland vor dem Oberlandesgericht in Karlsruhe. Dort gehe es um einen Streitwert von 180 Millionen Euro.

Die Straßburger Richter hatten sich der Argumentation der Bundesregierung angeschlossen, die die Entschädigungsforderung als "übermäßig" bewertet hatte. Außerdem stellten sie fest, dass es "keinen ausreichenden Beweis für einen direkten Zusammenhang zwischen der extremen Länge der Verfahren und der Höhe des angeblich entstandenen finanziellen Verlustes" gibt.

Zum ersten Mal war der Unternehmer 1974 vor Gericht gezogen. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2000 die Überlänge der Verfahren um eine Entschädigung anerkannt.

DPA
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