Julie Ann Hanson war gerade mal 15 Jahre alt, als sie im Juli 1972 in Naperville im US-Bundesstaat Illinois mit mehreren Messerstichen ermordet wurde. In all den Jahrzehnten, die seit der Bluttat vergangen sind, gelang es der Polizei nicht, den Täter zu ermitteln, und so blieb der Fall ungelöst. Bis jetzt.
Fast 50 Jahre nachdem Hansons Leichnam auf einem Feld in dem Vorort von Chicago entdeckt wurde, nahmen die Ermittler einen Tatverdächtigen fest. Der 76 Jahre alte Barry Lee W. sei am 2. Juni im Ramsey County im Bundesstaat Minnesota wegen des Mordes an Hanson verhaftet worden, teilte das Naperville Police Department mit.
"Wir hatten Julies Bild auf unseren Schreibtischen"
"Dieses schreckliche Verbrechen hat diese Familie, diese Gemeinde und diese Abteilung 49 Jahre lang verfolgt", erklärte der Polizeichef von Naperville, Robert Marshall, auf einer Pressekonferenz. "Die Ermittlungen und die daraus resultierenden Anklagen waren wirklich eine Teamleistung, die sich über Jahrzehnte erstreckte, und ich könnte nicht stolzer auf die Entschlossenheit und den Einfallsreichtum unserer Fahnder sein, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Sie haben Julie nie aufgegeben."
Der Mord an Hanson sei niemals ein "Cold Case" gewesen, also ein Fall, der ungelöst zu den Akten gelegt wurde, versicherte Marshall. Die Untersuchungen seien kontinuierlich weitergelaufen. "Wir hatten Julies Bild auf unseren Schreibtischen", sagte der Polizeichef.
Hanson hatte sich am 8. Juli 1972 das Fahrrad ihres Bruders geliehen, um zu einem Baseballspiel zu fahren. Doch sie kehrte nicht mehr nach Hause zurück und wurde bei der Polizei von Naperville als vermisst gemeldet. Am folgenden Tag wurde die Leiche der Teenagerin auf einem Feld entdeckt. Das Mädchen war mit 36 Messerstichen getötet und sexuell missbraucht worden, wie die Ermittler damals mitteilten. Barry Lee W. war zum Zeitpunkt des Mordes 27 Jahre alt und wohnte nur gut 1,5 Kilometer von Hansons Zuhause entfernt.

Polizeichef Marshall und der zuständige Staatsanwalt James Glasgow lieferten nur wenige Details über die Hintergründe ihres späten Ermittlungserfolges. Sie machten aber deutlich, dass genetische Ahnenforschung sie auf die Spur von Barry Lee W. gebracht habe. Es habe "enorme Fortschritte in der DNA-Prüfung" und "Genealogie" gegeben, erklärten sie. Genauere Angaben über die DNA-Beweise wollten sie nicht machen, um die Strafverfolgung in dem Fall nicht zu gefährden.
"Wir können nicht auf die Einzelheiten eingehen", sagte Glasgow. "Ich denke, dass wahrscheinlich jeder in den Medien über dieses Verfahren Bescheid weiß, und diese Kriminalbeamten haben es mit großer Sachkenntnis angewandt, und es führte zu den Anklagen, die heute hier erhoben wurden."
Datenbanken zur Ahnenforschung als Ermittlungswerkzeug
Die genetische Genealogie kann der Polizei helfen, an einem Tatort sichergestellte unbekannte DNA einer Person zuzuordnen. Dabei gleichen die Ermittler das gefundene Erbgut mit Profilen ab, die Menschen freiwillig bei Genealogie-Datenbanken hinterlegt haben, zum Beispiel um etwas über ihre Vorfahren oder Verwandten herauszufinden. So können die Fahnder einen viel größeren Stammbaum erstellen, als wenn sie ausschließlich die Datenbanken der Strafverfolgungsbehörden nutzen. Die Methode wurde erstmals 2018 als Ermittlungswerkzeug bekannt, als mit ihrer Hilfe der "Golden State Killer" gefasst wurde, wie der US-Sender ABC News berichtet. Seither seien mehr als 150 Verdächtige unter Verwendung der Datenbanken identifiziert worden.
Barry Lee W. wartet den Berichten zufolge derzeit in einem Gefängnis in Minnesota auf seine Auslieferung nach Illinois. Die Staatsanwaltschaft hat den Schweißer im Ruhestand des Mordes ersten Grades angeklagt und seine Kaution auf 10 Millionen Dollar festgelegt.
Polizeichef Marshall verlas auf der Pressekonferenz auch eine Stellungnahme der Angehörigen von Julie Ann Hanson: "Wie Sie vielleicht vermuten, war es eine lange Reise für unsere Familie", erklärten sie. "Wir sind für immer allen dankbar, die über die vielen Jahre hinweg an diesem Fall gearbeitet haben."