Im Drama um die mysteriöse Entführung der kleinen Madeleine hat die Polizei nun einen russischen Computer- Spezialisten im Visier. Der 22-jährige Sergej M. sei kurz nach dem Verschwinden des Mädchens am 3. Mai von dem bislang einzigen offiziell verdächtigten Briten Robert M. (33) angerufen worden, hieß es in britischen Presseberichten. Madeleine war aus der Ferienwohnung der Eltern in dem Badeort Praia da Luz im Süden Portugals entführt worden.
In der Nacht zum Donnerstag hätten Ermittler die Wohnung des Russen durchsucht und ihn verhört, berichtete die britische Nachrichtenagentur PA aus Praia da Luz. Auf dem Laptop des ebenfalls in dem Badeort Praia da Luz lebenden Moskauers seien E-Mails des verdächtigen Briten gefunden worden. Der Laptop, zwei externe Festplatten und weitere Gegenstände seien für weitere Untersuchungen beschlagnahmt worden. Sergej M. sei jedoch bislang lediglich als Zeuge und nicht als Verdächtiger vernommen worden.
Während Kriminalisten die Wohnung des Russen durchsuchten, nahmen die Eltern der vierjährigen Madeleine nur wenige Meter entfernt in einer Kirche an einem weiteren Fürbittgottesdienst teil. Sie hatten zuvor erklärt, fest daran zu glauben, dass Madeleine am Leben sei. Sie wollen in Portugal bleiben, bis das Mädchen gefunden wird. Die Suche wird inzwischen durch einen internationalen Spendenfonds unterstützt.
Robert M. sieht sich als Sündenbock
Der Verdächtige Robert M. hatte jede Schuld von sich gewiesen und sich als "Sündenbock" bezeichnet. Zugleich wuchs die Welle der Anteilnahme auch rund zwei Wochen nach dem Verschwinden des britischen Mädchens aus einer Ferienwohnung im Süden Portugals noch weiter an. Die Regierung in London versprach am Mittwoch, weiter Druck auf die Behörden in Portugal auszuüben. Freiwillige Helfer richteten mit Unterstützung von zwei Banken einen internationalen Spendenfonds für die Suche nach der Vierjährigen ein.
"Ich bin zum Sündenbock für etwas gemacht worden, das ich nicht getan habe", sagte der 33-jährige Robert M. dem britischen TV-Sender Sky News. Er war am Dienstag von der portugiesischen Polizei nach stundenlangen Verhören als Tatverdächtiger bezeichnet worden. Dann jedoch wurde der in Portugal lebende Brite auf freien Fuß gesetzt. Die Polizei teilte mit, dass gegen den 33-Jährigen Anhaltspunkte für eine Verwicklung in die Entführung des britischen Mädchens vorlägen.
Die Ermittlungen und die Spurensuche waren noch weitgehend auf die Villa in dem Ferienort Praia da Luz gerichtet, in der Robert M. zusammen mit seiner 71-jährigen Mutter lebte. Die Anschuldigungen gegen ihn hätten sein Leben und das seiner Familie "ruiniert", sagte der Mann. "Ich werde das nur überleben, wenn sie Madeleines Entführer erwischen."
Der Brite muss sich regelmäßig bei der Polizei melden. Die Ermittler untersuchten derweil Material, das sie in dem Haus beschlagnahmt hatten. Das Gebäude liegt in Sichtweite der Ferienwohnung, aus der das Mädchen mit dem Spitznamen "Maddie" am 3. Mai entführt worden war. Von dem Kind fehlt seitdem jede Spur. Allerdings gehen die Ermittler nach Angaben der Zeitung "Diàrio de Notícias" davon aus, dass Madeleine noch am Leben ist und in einem Versteck gefangen gehalten wird.
Da die Polizei äußerst verschwiegen ist, wird in den Medien viel spekuliert. Das "Jornal de Notícias" schrieb, die Ermittler hätten im Computer des Verdächtigen pornografisches Material mit Aufnahmen gewaltsamer Sexszenen gefunden. Die Zeitung "Correio da Manhã" will erfahren haben, dass die Polizei nach einem Russen fahndet, der zum Bekanntenkreis des Verdächtigen gehört habe und wegen Sexualvergehen vorbestraft sei.
Britischen Medienberichten zufolge handelt es sich bei den beiden anderen von der Polizei befragten Zeugen um die deutsche Geliebte des 33-Jährigen und deren Mann. Wie der "Daily Mirror" schreibt, könnte es sich bei den Dreien um jene Personen handeln, die nach der Entführung von einer Videokamera an einer Tankstelle aufgenommen worden waren.
Derweil sagten der voraussichtliche Nachfolger von Tony Blair als Premierminister, Schatzkanzler Gordon Brown, und der Vizepremier John Prescott den Eltern und der Familie des Mädchens Unterstützung zu. London werde die portugiesischen Behörden weiterhin drängen, in der Suche nach "Maddie" nicht nachzulassen, versprach Brown deren Tante Philomena McCann und weiteren Familienmitgliedern bei einem Treffen in London. Die Eltern harren weiter in Praia da Luz aus.
Unterstützt von Prominenten wie dem ehemaligen Kapitän des englischen Rugby-Teams, Martin Johnson, gaben freiwillige Helfer und Angehörige die Schaffung eines internationalen Hilfsfonds für die Suche nach Madeleine bekannt. Sie riefen dazu auf, "jeden einzelnen Stein umzudrehen", um die Spur des Mädchens zu finden und baten um Unterstützung über die Internetseite www.findmadeleine.com. Der Fond wird von der Royal Bank of Scotland (RBS) und deren Tochterbank NatWest unterstützt.
Der europäische Fußballverband UEFA wollte am Abend helfen, die Aufmerksamkeit von noch mehr Menschen in noch mehr Ländern auf das Schicksal des Mädchens zu lenken. Dazu sollten am Abend beim UEFA- Cup-Finale zwischen dem FC Sevilla und Espanyol Barcelona in Glasgow Bilder des Mädchens eingeblendet werden. Die Suche nach dem Mädchen bewegte auch das Filmfestival in Cannes. Ein großes Foto des Kindes wurde am Eröffnungstag der Festspiele auf der Strandpromenade La Croisette verteilt und lag Zeitungen und Zeitschriften bei.