Der 72-Jährige wirkt wie ein gebrechlicher Greis, als er auf die Anklagebank geführt wird. Hilflos steht der mutmaßliche Amokschütze von Schwalmtal im Blitzlichtgewitter, die Schulter hochgezogen, den Blick zum Boden gesenkt. Als ihn die Kameras kurz vor Prozessbeginn am Landgericht Mönchengladbach filmen, bricht er in Tränen aus. Laut Anklage hat der Rentner vor einem halben Jahr im Haus seiner Tochter mit einer Pistole um sich geschossen und dabei zwei Rechtsanwälte und einen Gutachter getötet. Ein weiterer Gutachter konnte sich noch schwer verletzt aus dem Haus retten.
Eine Bluttat, die absolut nicht zum Bild des gebrechlichen Alten passen will. Nur wenige Meter von dem 72-Jährigen entfernt wacht ein Rettungsassistent über den Gesundheitszustand des Mannes. Wegen einer akuten Erkrankung musste der eigentlich für den 2. Februar geplanten Prozessauftakt auf den (heutigen) Mittwoch verschoben werden.
Der Anklage zufolge war die anstehende Zwangsversteigerung des Hauses, das früher von seiner Tochter und deren früherem Ehemann bewohnt wurde, Anlass für die Tat. Der Mann fürchtete, dass seine Tochter bei der anstehenden Scheidungsauseinandersetzung übervorteilt werden könnte. Er habe ein Zeichen setzen wollen, dass man so mit ihm und seiner Verwandtschaft nicht umgehen könne, gestand der Rentner nach seiner Festnahme.
Äußern will sich der Rentner am Mittwoch nicht zu den Vorwürfen - erst einmal. "Es kommt mit Sicherheit eine Einlassung", sagt sein Verteidiger, Rechtsanwalt Burkhard Benecken. "Dass er geschossen hat, steht aber außer Frage", sagt der Verteidiger.
Am 18. August 2009 hatten sich die beiden Rechtsanwälte und Gutachter des Kreises Viersen auf den Weg zum Grundstück der Familie im niederrheinischen Schwalmtal gemacht. Laut Anklage hielt der Rentner eine Pistole hinter dem Rücken versteckt. Als sie im Haus vor ihm standen, soll er unvermittelt zu schießen begonnen haben - mehrfach auf jeden von ihnen. Die Anklage sieht darin einen heimtückischen, geplanten Mord in drei Fällen sowie einen Mordversuch. Der 72-Jährige machte mit seiner Tat ein jugendliches Mädchen zur Vollwaise, ein anderer der Getöteten hinterlässt neben seiner Frau auch eine kleine Tochter.
Der Mann wirkt zu Prozessbeginn orientierungslos. Als der Vorsitzende Richter Lothar Beckers ihn nach seinem Namen fragt, bekommt es der Angeklagte erst beim dritten Mal mit. Mit den Augen sucht er das Publikum nach seinen Angehörigen ab, die nicht gekommen sind.
Weil sich der Mann erst einmal nicht einlassen will, dauert der erste Verhandlungstag keine zehn Minuten. Bis April sind weitere zehn Verhandlungstage angesetzt. "Ob wir damit auskommen, muss sich erst noch zeigen", sagt Staatsanwalt Stefan Lingens. Einen weiteren Antrag auf Verschiebung wegen Prozessunfähigkeit kündigte die Verteidigung jedenfalls nicht an.
Der Rentner war erst vor einigen Jahren wegen seiner schlechten Gesundheit um ein Gerichtsverfahren herum gekommen. Damals soll er entfernte Verwandte mit einem Baseballschläger attackiert haben. Das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung wurde eingestellt.
Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt, ein Urteil ist nicht vor Mitte April zu erwarten.