Vor dem Foltermord an einem Häftling im Siegburger Gefängnis hat es dort nach Aussage des früheren Anstaltsleiters keine besonderen Gewaltausbrüche gegeben. "Die mir bekannten Fälle liegen unterhalb des landesweiten Durchschnitts", sagte Wolfgang Neufeind als Zeuge im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Er habe die Fälle stets wie vorgeschrieben den vorgesetzten Behörden gemeldet.
Neufeind war 15 Jahre lang Leiter der Siegburger Haftanstalt. Nach dem Foltermord wurde er in eine andere Behörde versetzt. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn sind eingestellt worden, das Disziplinarverfahren aber läuft noch. Zeitweise sorgt die Wortwahl des 58-Jährigen bei den Politikern sichtlich für Irritation. Von verschiedenen "Gewichtsklassen" spricht er und meint damit den unterschiedlichen Grad von Gewalt. In den Haftanstalten gebe es eine "gefahrengeneigte Aktionsebene". Den Foltermord nennt er "das besondere Vorkommnis".
Stundenlang gefoltert worden
Im Siegburger Jugendstrafvollzug war im vergangenen November ein 20-Jähriger von seinen Zellengenossen stundenlang gefoltert und schließlich getötet worden. Der Untersuchungsausschuss will klären, wie es zu der Tat kommen konnte. Der Mord an dem 20-Jährigen geschah an einem Wochenende. Die Zelle war wegen Bauarbeiten mit vier statt drei jungen Männern belegt. Die drei Zellengenossen des Opfers müssen sich derzeit wegen des grausamen Verbrechens vor dem Bonner Landgericht verantworten und haben die Tat gestanden.
Neufeind ist der erste Zeuge, den der Ausschuss vernimmt. Um das konkrete Verbrechen vom 11. November 2006 ging es bei der Befragung kaum, vielmehr um die allgemeine Situation im Siegburger Gefängnis. Überbelegung sei ein permanentes Problem gewesen, so Neufeind. Statt der vorgesehenen 650 hätten zeitweise 800 Gefangene eingesessen. In einigen Fällen hätten Neuankömmlinge sogar kurzfristig in der Sporthalle einquartiert werden müssen. "Gleichzeitig herrschte Personalknappheit", sagt Neufeind. Die Folge seien ein Berg von Überstunden und eine Krankenquote von bis zu 20 Prozent gewesen.
Deshalb seien vor allem an den Wochenenden das Personal und die Beschäftigungsangebote für die Häftlinge "sehr zurückgefahren worden". Entschieden wies Neufeind aber den Vorwurf aus dem Bericht der von der Justizministerin eingesetzten Expertenkommission zurück, in Siegburg habe ein "betreuungsarmer Verwahrvollzug" geherrscht. "Das ist völlig falsch", sagt Neufeind.