Crime Story Es ist eine Frau

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  • von Marius Elfering
In den Sechzigern kommen Banküberfälle groß in Mode. Eine verdächtige Person macht die Polizei besonders ratlos.
Es ist eine Frau
© Walter Schießwohl

Es gibt da diese Geschichte über Gisela. Eine Geschichte aus ihrer Kindheit. Auf dem Dach ihres Wohnhauses hatten sich ein paar Tauben eingenistet. Die Tiere störten die Familie Werler. Doch keiner traute sich, auf das Dach zu steigen. Also kletterte Gisela hoch.

Hermann mag diese Geschichte. Ihren Mut, den habe er immer geschätzt an Gisela. So wird er es später, als alles vorbei ist, vor Gericht aussagen.

Gisela sitzt an diesem 29. Juli 1965 neben ihm auf dem Beifahrersitz des VW Käfer, die Waffe schon in der Hand. Vor der Volksbank, Elbgaustraße in Hamburg. Das Auto haben sie vorher gestohlen. Käfer sind am besten zu klauen. Eine Minute, vielleicht zwei, ein wenig an der Tür herumfummeln, ein wenig am Zündschloss, Lenkradsperre freirütteln, klack, dann läuft der Wagen.

Mutig ist Gisela. Aber ein Banküberfall ist eine andere Nummer. Es komme nicht darauf an, wie viel Geld sie mitbringe, hat Hermann vorher zu ihr gesagt. „Ich will sehen, ob du das bringst.“

Auf Giselas Kopf: eine blonde Perücke. Auf Giselas Nase: eine große Sonnenbrille. Um Giselas Hals: ein Tuch mit Leopardenmuster.

Werlers Sonnenbrille
Werlers Sonnenbrille ist eines ihrer wichtigsten Ausrüstungsstücke
© Walter Schießwohl

Sie ist aufgeregt, aber sie nimmt sich zusammen. Schon Tage vorher hatte sie schlechte Träume, so hat sie es in ihrem Tagebuch festgehalten. Ein letzter Blick hinüber zu Hermann, dann steigt sie aus und betritt die Volksbank.

Erschienen in stern Crime 30/2020