Das Flugzeug drosselte seine Geschwindigkeit und pendelte sich auf einer Höhe von etwa 1600 Metern ein. Das Schloss unter ihnen erstrahlte wie ein Märchenpalast. Als der Pilot mit dem Daumen nach oben zeigte, überprüfte Gerald Blanchard ein letztes Mal die Fallschirmgurte, bevor er in die Dunkelheit sprang. Eine Sekunde lang stürzte er ungebremst in die Tiefe, dann zog er an der Leine, und der Schirm öffnete sich. Es war ein Abend im Juni des Jahres 1998. Ein lauer Wind strich über die Dächer von Wien, und sofern der Wind nicht plötzlich drehte, würde Blanchard direkt über dem Raum landen, in dem sich der berühmte Sisi-Stern befand: eine Perle, eingefasst in einen Stern aus Diamanten, den der Hofjuwelier Alexander Emanuel Köchert einst eigens für die Kaiserin Sisi angefertigt hatte. Sanft glitt Blanchard auf das Ziegeldach zu.
Ein paar Tage zuvor hätte man ihn noch für einen gewöhnlichen Touristen gehalten. Ein Mann Mitte 20, der sich auf einer sechsmonatigen Europareise befand: London, Rom, Barcelona, Côte d’Azur. In Wien hatte er das Schloss Schönbrunn besucht und dank guter Kontakte ein wertvolles Schmuckstück aus einer Privatsammlung besichtigen dürfen, das erst in wenigen Tagen der Öffentlichkeit präsentiert werden sollte. Und da hatte er ihn zum ersten Mal erblickt: in einem höhlenartigen Raum, hinter einer alarmgesicherten Vitrine aus kugelsicherem Glas, auf einem kleinen, mit einem Gewichtssensor ausgestatteten Podest – diesen schillernden, zehnzackigen Stern aus Diamanten, in dessen Mitte eine gigantische Perle prangte.
Fünf Sekunden nachdem er ihn gesehen hatte, wusste Blanchard, dass er sich den Stern nehmen würde.