Emre Dogan* (Namen mit * geändert) schließt das Rolltor der Garage im Keller, greift den Hubwagen und macht sich auf den Weg zurück, durch die Sicherheitsschleuse in Richtung Aufzug. Seit Jahrzehnten arbeitet er schon hier, im westfälischen Gronau, in der Zentrale von K+K, einer Supermarktkette. Er kümmert sich um die Übergabe der Tageseinnahmen an die Geldtransporter. Auf deren Tour ist K+K der letzte Halt, hier wartet das meiste Geld. An einem Tag wie heute, 19. Dezember 2017, Vorweihnachtszeit, ist es besonders viel. An einem Tag wie heute hütet Dogan Millionen.
Als Dogan im Aufzug zurückfährt, es ist etwa halb drei am Nachmittag, gehen ihm die vergangenen Minuten durch den Kopf. Er bekommt ein komisches Gefühl.
Eigentlich hatte die Übergabe begonnen wie immer. Um 14.18 Uhr riefen die Fahrer an, sie seien in 15 Minuten da. Frau Meier*, seine Kollegin, stellte ihren Handywecker auf 14.28 Uhr. Dogan nahm die große Metallkiste mit den Tageseinnahmen auf den Hubwagen, fuhr im Aufzug in den Keller, ging durch die Schleuse in die Garage, drückte den Knopf für das Rolltor. Als es sich öffnete, stand der Transporter schon an der Rampe. Rückwärts bog er in die Garage, wie immer, nur etwas schräger.
Die beiden Fahrer kannte Dogan noch nicht, aber sie trugen die roten Polohemden der Werttransportfirma. Ob sie neu seien, fragte Dogan. Nee, sagten sie, und dass sie Frau Meier kennen würden. Während Dogan sich mit einem der Männer unterhielt, scannte der andere den Barcode auf der Geldkiste, druckte die beiden Quittungen aus, unterschrieb sie und überreichte Dogan eine davon.
Wie üblich lud Dogan mit den Männern die Kiste in den hinteren Teil des Wagens. Die Ladefläche kam ihm leerer vor als sonst, auch eine leere Kiste hatten die Männer diesmal nicht dabei. Sie seien ein Ersatzfahrzeug, sagten sie, der andere Transporter sei voll gewesen, die Kiste würden sie nachreichen. Die Männer verabschiedeten sich und fuhren davon.
Und nun steht Dogan im Aufzug und denkt sich: Irgendwas passt hier nicht. Oben im Büro rufen er und seine Kollegen bei der Werttransportfirma an. Dort sagt man ihnen: Nein, an der ursprünglichen Tour hat sich nichts geändert.
Der Transporter ist gleich bei ihnen.