Grand Marais ist ein verschlafenes Provinznest. Nur 1300 Menschen leben hier am Ufer des Lake Superior, nicht weit von der kanadischen Grenze, eine bunte Mischung aus Künstlern und Naturliebhabern, Arbeitern und Besserverdienenden, Liberalen und eingefleischten Trump-Anhängern. Im Sommer drängen sich Touristen durch die Galerien und Geschäfte, und im malerischen Angry Trout Café muss man mehr als eine Stunde auf einen Tisch warten. Doch sobald der Herbst kommt, kehrt wieder Ruhe ein. "Wir leben vom Tourismus", sagt Steve Fernlund, der ehemalige Herausgeber des "Cook County News Herald". "Aber die meisten von uns wollen einfach ihre Ruhe haben. Wir sind Einsiedler und mögen das."
Und doch weiß in Grand Marais jeder über jeden Bescheid – oder glaubt es zumindest. Beim Frühstück im South of the Border Café oder beim Small Talk in der Wisconsin Street verbreiten sich Gerüchte schneller, als der Wind über den See fegt. "Auch wenn wir nicht immer alle einer Meinung sind, sind wir trotzdem eine verschworene Gemeinde", sagt Dennis Waldrop, der bis vor Kurzem das Cook County Historical Museum leitete. "Und wir reden über alles."
In letzter Zeit gab es mehr als genug Gesprächsstoff. Anfang 2024 zerstörte ein mysteriöser Brand die historische Lutsen Lodge. Drei Jahre zuvor nahm sich der ehemalige Eishockeystar Mark Pavelich das Leben. Und dann war da dieses riesige Waldstück, das Warren Jeffs gehört hatte – einem verurteilter Sexualstraftäter und Anführer einer polygamen Sekte. Die Angst ging um, die Sekte könnte das Gelände für ihre dubiosen Aktivitäten nutzen.
Doch nichts davon war so erschütternd wie die Ereignisse vom März 2023: die brutale Konfrontation zwischen Lawrence Scully, den alle nur Larry nannten, und Levi Axtell. Die Gewalttat und die Fragen, was ist Wahrheit, was ist Gerechtigkeit, haben die Stadt entzweit. Bis heute.