Zehntausende Berliner Haushalte trifft ein Stromausfall mitten in der Nacht. Grund ist nach ersten Ermittlungen der Polizei vermutlich ein politisch motivierter Brandanschlag auf zwei Strommasten in der Hauptstadt, der die dortige Energieversorgung lahmlegt. Rund 50.000 Haushalte und Firmen im Berliner Südosten sind betroffen, viele davon blieben bis zum Nachmittag ohne Strom, manche noch länger.
Der Alarm ging um 3.30 Uhr ein. Das Feuer zerstörte mehrere dicke Starkstromleitungen am Fuß der Masten am Königsheideweg im Bezirk Treptow-Köpenick nahe einem Wohnviertel mit Einfamilienhäusern und viel Grün. Eine Stunde brauchten Feuerwehrleute, um den Brand zu löschen. Die Täter hatten nach ersten Erkenntnissen Brandbeschleuniger eingesetzt.
Die Polizei prüft einen möglichen Zusammenhang mit einem geplanten Tesla-Entwicklungszentrum in der Gegend. "Ob das eine Rolle spielt, ist auch Gegenstand der Ermittlungen", sagte eine Polizeisprecherin. Konkrete Hinweise dazu gebe es aber noch nicht.
Tesla plant neues Entwicklungszentrum
Nach erster Einschätzung der Polizei geht die Brandstiftung vermutlich auf das Konto von politisch motivierten und mutmaßlich extremistischen Tätern. Hinweise darauf seien die Wahl der beiden Strommasten als Anschlagsziel und das Vorgehen, hieß es von der Polizei.
Tesla hatte am 3. September bekanntgegeben, in Berlin-Köpenick ein neues europäisches Entwicklungszentrum zu bauen. Der umstrittene Konzern will dafür eine alte Fabrikanlage renovieren, verriet aber den genauen Standort nicht. Auch der Bezirk wollte die Geheimhaltung beibehalten.
Ähnlichkeiten mit einem Anschlag im März 2024
Zuvor hatten "intensive und vertrauliche Gespräche" von Senat und Bezirk mit Tesla stattgefunden. "Die konsequent gewahrte Vertraulichkeit war ein wichtiger Faktor für die erfolgreiche Standortentscheidung zugunsten Köpenicks", hieß es.
Der aktuelle mutmaßliche Brandanschlag weist Ähnlichkeiten mit einem Anschlag im März 2024 auf einen Strommast südöstlich von Berlin auf. Damals war die Stromversorgung von Tesla, anderer Firmen und Tausender Privathaushalte unterbrochen wurden. Eine als linksextremistisch eingestufte Gruppe teilte anschließend mit, sie habe den Anschlag verübt. Der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen.
Linksradikale veröffentlichen Bekennerschreiben
Im aktuellen Fall ermittelt der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes. An den beiden hohen Strommasten am Königsheideweg waren dicke Leitungen durch das Feuer beschädigt und teilweise zerstört worden. Die Täter setzten nach ersten Erkenntnissen einen sogenannten Brandbeschleuniger, also etwa Benzin, ein.
Die Polizei prüft nach eigenen Angaben ein Bekennerschreiben. In dem auf der linksradikalen Internetseite "Indymedia" veröffentlichten Text hieß es, der Anschlag habe sich gegen den Technologiepark Adlershof im Südosten Berlins gerichtet.
"Einige Anarchist:innen"
Weiter schrieben die Autoren: "Den technologischen Angriff sabotieren – dem militärisch-industriellen Komplex den Saft abdrehen." Unterzeichnet wurde das Schreiben mit: "Einige Anarchist:innen".
"Zwei 110KV Strommasten in der Königsheide in Johannisthal wurden durch Brandstiftung der Saft abgedreht und damit ein Blackout im Technologiepark verursacht", hieß es in dem Text. Dort seien Firmen und Forschung aus den Bereichen IT, Robotik, Bio- & Nanotech, Raumfahrt, KI, Sicherheits- und Rüstungsindustrie vertreten. Jedes denkbare Geschäftsmodell dieser Hightech-Industrie fungiere auf die ein oder andere Weise systemstabilisierend und sei unter anderem ein Produkt militärischer Interessen, hieß es.
Bis zu 50.000 Haushalte vom Blackout betroffen
Betroffen waren von dem Stromausfall seit der Nacht nach Angaben von Stromnetz Berlin 50.000 Kunden. Die Feuerwehr sprach von mehr als 43.000 Haushalten und 3.000 Firmen. Außerdem waren Schulen, Kitas und zwei Pflegeheime ohne Strom. Ampeln und Straßenbeleuchtung fielen aus. Die Feuerwehr kümmerte sich um die Pflegeheime. Mehrere Patienten, die etwa auf Beatmungen angewiesen waren, wurden in Krankenhäuser verlegt.
Mobilfunk- und Festnetzverbindungen sowie die Erreichbarkeit der Notrufe 110 und 112 waren teilweise gestört. Die Polizei forderte dazu auf, sich in dringenden Notfällen direkt an die nächstgelegene Wache zu wenden.
In Berlin kommt es immer wieder zu Stromausfällen, allerdings von kleinerem Ausmaß. "Diese Dimension ist die absolute Ausnahme", sagte ein Sprecher von Stromnetz Berlin.
Spurensuche läuft – Reparatur kann noch viele Stunden dauern
Die Arbeiten an der Stromversorgung könnten noch bis Mittwoch dauern. "Wir richten uns darauf ein, dass wir nicht heute damit fertig werden", sagte Stromnetz Berlin-Geschäftsführer Erik Landeck vor Ort. Die technischen Arbeiten können erst beginnen, wenn die Polizei mit der Spurensuche vor Ort fertig sei.
Kurz nach 10.00 Uhr seien bereits mehr als 14.000 Kunden wieder versorgt gewesen, sagte Landeck. Das sei durch die Inbetriebnahme von Kabeln, die eigentlich außer Betrieb waren, gelungen. Für die restlichen Kunden werde es wegen der Reparaturen etwas länger dauern. "Wir werden keine neuen Masten aufstellen können."
Stromausfall legt Ampeln und Geschäfte lahm
Polizisten regelten an Kreuzungen mit ausgefallenen Ampeln den Verkehr. "Wir sind auch sonst auf den Straßen präsent, um ansprechbar zu sein", sagte eine Polizeisprecherin. Die S-Bahnen fuhren, aber viele Lautsprecheransagen, Anzeigen, Aufzüge und Fahrkartenautomaten funktionierten nicht.
Das große Einkaufszentrum Schöneweide wirkte wie ausgestorben, am Vormittag waren die Geschäfte dunkel, Verkäufer saßen drinnen. Nur ein großer Supermarkt war hell erleuchtet. Bei einem anderen stand ein Einkaufswagen mit einem Schild quer in der geöffneten Ladentür: "Geschlossen Stromausfall !!!!"

Ein Friseur sagte, er habe sich schon beim Aufstehen gewundert: "Alles war so dunkel." Im Laden habe es dann am Morgen geheißen: "Wir können nicht arbeiten." Bis mittags habe sich das auch nicht geändert, es sei zu dunkel in den Räumen.
Eine Apothekerin sagte: "Wir müssen Kunden wegschicken, wir können nicht kassieren, wir können die Rezepte nicht einlösen. Wir mussten unsere Kühlware woanders hinbringen und das ganz, ganz schnell." Heutzutage sei alles digital und das mache es ohne Strom sehr schwierig.
Senatorin schickt Lautsprecherwagen für Infos an die Anwohner
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) schickte Lautsprecherwagen in die betroffenen Ortsteile. Sie sollen "die Bevölkerung unter anderem über Anlaufpunkte informieren". Sie habe vereinbart, dass noch am Dienstag zwei sogenannte Katastrophenschutz-Leuchttürme, das sind Anlaufstellen mit Personal und Stromversorgung, aufgebaut und in Betrieb genommen werden sollten.
Nach Angaben der Stromnetz-Betreiber ist der Fall vergleichbar mit einer Störung 2019 in Köpenick. Damals war ein Kabel bei Bauarbeiten beschädigt worden. Der Stromausfall traf mehr als 30.000 Haushalte und 2.000 Gewerbebetriebe und dauerte rund 30 Stunden.
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