Vergewaltigungsprozess Richterin sorgt mit Kommentar über betrunkene Frauen für Empörung

Die Richterin warnt Frauen vor "enthemmtem Verhalten"
Die Richterin warnt Frauen vor "enthemmtem Verhalten"
© RASimon/Getty Images
Obwohl die britische Richterin Lindsey Kushner einen Vergewaltiger für sechs Jahre ins Gefängnis steckte, muss sie sich harsche Kritik anhören. Der Grund sind ihre Kommentare über den Alkoholkonsum junger Frauen.

Eigentlich hatte Lindsey Kushner ein aus Opfersicht zufriedenstellendes Urteil gesprochen. Wegen Vergewaltigung verurteilte die Richterin des Manchester Crown Courts einen Angeklagten zu sechs Jahren Gefängnis. Der 19-jährige Täter hatte in den frühen Morgenstunden eines Juli-Wochenendes eine 18-Jährige auf offener Straße angegriffen und erst von ihr abgelassen, als sich Polizeibeamte näherten. Doch mehr als den Urteilsspruch diskutiert man in Großbritannien nun die begleitenden Kommentare, die die Richterin jungen Frauen mit auf den Weg gab.

Kushner kritisierte den Alkoholkonsum von Frauen, der sie zu einem leichten Opfer mache. Natürlich hätten Frauen jedes Recht, "sich unter den Tisch zu trinken", sagte die 64-Jährige laut BBC. Aber "enthemmtes Verhalten" könne Frauen nun mal in Gefahr bringen. "Das ist absolut keine Entschuldigung und eine Frau kann mit ihrem Körper machen, was sie will, und ein Mann muss sich dementsprechend verhalten", stellte die Richterin klar. Aber, so fügte Kushner hinzu, als eine weibliche Richterin sei es nachlässig, wenn sie nicht an Frauen plädiere, sich selbst vor gefährlichen Männern zu schützen, die es auf betrunkene Frauen abgesehen hätten.

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Kritiker monieren "victim-blaming"

So gut die Worte auch gemeint sein mögen, Kritiker werfen der Richterin nun vor, sie gebe den Opfern eine Mitschuld an ihrer Vergewaltigung. "Wenn jemand vergewaltigt wird, fühlt er Schuld und Scham und es fällt schwer, die Vergewaltigung anzuzeigen", sagte Vera Baird, Polizei-Beauftragte der Region Northumbria, der BBC. "Wenn ein Richter den Opfern sagt, 'naja, wenn du getrunken hast, wirst du eher vergewaltigt, wir glauben dir nicht so einfach und du warst enthemmt, sodass du selbst dafür gesorgt hast', dann wird das Schuldgefühl nur schlimmer."

Auch Opfer von Vergewaltigungen und Aktivistinnen verurteilten die Worte der Richterin. "Als Richterin und Frau sollte sie es besser wissen", sagte Yvonne Traynor, Leiterin einer Opferorganisation. "Die einzige Person, die für eine Vergewaltigung verantwortlich ist, ist der Vergewaltiger."

Anwaltsverein verteidigt Richterin

Schützenhilfe bekommt Richterin Lindsey Kushner dagegen vom Chef des Anwaltsvereins CBA, Francis Fitzgibbon. Es sei zwar ungewöhnlich für eine Richterin, solche Kommentare abzugeben, aber er könne nicht erkennen, dass die Richterin mit ihren Kommentaren den Opfern irgendeine Schuld zuweist, sagte Fitzgibbon der BBC. Und: "Ihr liegt offensichtlich viel daran, dass junge betrunkene Frauen nicht Opfer von Vergewaltigungen werden und sie will etwas dagegen tun."

Auch die Richterin selbst weist die Kritik zurück. "Ich denke nicht, dass es für eine Richterin falsch ist, Frauen zu bitten, sich selbst zu schützen", sagte Kushner. Der Vergewaltigungsprozess war übrigens der letzte Fall der Richterin. Die 64-Jährige geht nun in Ruhestand. 

bak

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