Patienten kämpfen unter anderem gegen extreme Erschöpfung. Zahlen der kassenärztlichen Bundesvereinigung deuten darauf hin, dass die Zahl der Erkrankten in Deutschland bereits 2021 von 300.000 auf über 500.000 angestiegen ist.
Video Verkannte Volkskrankheit Long Covid?

STORY: Seit seiner Corona-Infektion hat Altenpfleger Carsten Arndt-Bökhaus einfach keine Energie mehr. Und er ist mit diesen Symptomen nicht allein: Carsten Arndt-Bökhaus, Long Covid Patient: "Es ist ein anderes Erschöpft-Sein. Ich habe einfach keine Energie mehr. Mittlerweile schlafe ich 12,13,14 Stunden durch, fühle mich aber nach den 13,14 Stunden wie vorher auch. Als ob ich gar nicht im Bett gewesen bin. Es funktioniert nichts mehr." Kati Ring, Long Covid Patientin: "Dann kann ich auch nicht richtig gucken, ich kann nicht richtig Dinge fixieren. Ich kann eben keine Texte verstehen. Ich kann keine komplizierten Tätigkeiten dann ausführen, wenn der Brainfog so doll ist. Dann ist aber auch manchmal einfach nur eine absolute Erschöpfung da. Und zwar nicht: Ich bin jetzt müde, leg mich mal hin, sondern so eine abgrundtiefe Erschöpftheit, dass ich eigentlich nur mich dann hinlegen kann und abwarten, bis es irgendwann wieder besser wird, weil es ist nur so, dann die Kraft reicht zum Existieren und da sein, aber zu mehr nicht." Bei Millionen von Menschen hat Corona anhaltende Beeinträchtigungen hinterlassen, für die es noch keine Behandlung gibt. Und bereits das Erkennen der Krankheit fällt einigen Ärzten schwer. Fachleute gehen davon aus, dass mittlerweile besonders das Chronische Fatigue-Syndrom eine große und relevante Untergruppe von Long-Covid-Patienten ausmacht, abgekürzt ME/CFS. An der Charité wird zu dem Thema geforscht: Carmen Scheibenbogen, ME/CFS-Expertin: "Und dieses Gleichgewicht, eben jetzt Stress und Entspannung, ist durcheinander gekommen bei ME/CFS, und es ist alles Richtung Stress geschaltet. Und normalerweise werden diese Rezeptoren eben über das Adrenalin aktiviert. Aber es gibt auch Antikörper, die an diese Rezeptoren binden und die die Funktion auch verändern können, aktivieren oder auch bremsen können. Und wenn eben solche Antikörper jetzt fehlerhaft binden, dann bringen die das ganze System zum Kippen." Der Ruf nach Therapien und Medikamenten wird immer lauter. Aber im Gegensatz zur schnellen Entwicklung von Corona-Impfstoffen ist bei Medikamenten noch kein Durchbruch in Sicht. Doch es fehlt nicht nur an erfolgversprechenden Medikamenten: Carsten Arndt-Bökhaus, Long Covid Patient: "Und es wäre echt mal wirklich schön, mehr Zeit von den Ärzten, dass die wirklich endlich fortgebildet, weitergebildet werden, dass die Ärzte, die Gesellschaft es auch endlich ernst nimmt, es anerkennt, nicht da so flapsig mit umgeht, nach dem Motto: 'der ist nur faul, der will nichts, der will sich auf der sozialen Hängematte ausruhen.' Was man so alles sich anhören muss. Und das tut obendrauf noch richtig mit weh." Für viele ME/CFS-Betroffene bürgt der Wirkstoff BC007 der Firma Berlin Cures neue Hoffnung, obwohl er noch keine klinische Studie am Menschen durchlaufen hat. Rainer Boehm, Verwaltungsratschef Berlin Cures Holding AG: "Wir konnten prinzipiell zeigen, dass BC007 diese funktionalen Auto-Antikörper tatsächlich neutralisieren kann, also sozusagen aus dem Blut rausnehmen kann. Und es gibt eben erste Hinweise und erste Patienten, die behandelt worden sind, Einzelfälle, bei denen man auch dann zeigen konnte, dass die Symptome sich sehr stark verbessert haben deswegen. Und deswegen machen wir jetzt eine Phase zwei, also eine größere, saubere Studie mit über 100 Patienten, um genau das nachzuweisen. Zwei Gruppen erhalten BC007. Eine Gruppe erhält nur eine Lösung, in der kein BC007 dran ist, um wirklich ganz klar wissenschaftlich nachzuweisen, dass diese Entfernung dieser schädlichen Auto-Antikörper tatsächlich den Effekt hat, den wir uns alle erhoffen." Nach Angaben des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen, vfa, machen allerdings zwei Punkte es sehr schwer, schnell wirksame Therapien gegen die Beschwerden bei Long Covid zu entwickeln: Erstens, man kennt die Vorgänge im Körper kaum und weiß daher nicht sicher, wo Medikamente eingreifen könnten. Und zweitens werden die verschiedenen Krankheits-Unterformen vermutlich nicht alle auf die gleiche Behandlung ansprechen. Je mehr Krankheits-Varianten es gibt, desto unwahrscheinlicher aber wird auch die Entwicklung eines für die Industrie lukrativen Medikaments. Und damit wird dann wohl die Rolle von Ärzten und Gesellschaft, umso wichtiger für die von Long Covid betroffenen Personen.