Unter radikalen Querdenkern ist es ein beliebtes Narrativ: Sie vergleichen die Corona-Maßnahmen und insbesondere die Impfpflicht mit der Judenverfolgung durch die Nazis – bis hin zum Holocaust. Immer wieder sieht man auf Querdenker-Demos Menschen mit gelben Sternen am Arm, wie sie die Juden im Dritten Reich tragen mussten. Dabei hinkt der Vergleich gewaltig: Die Nazis ermordeten insgesamt sechs Millionen Juden, die Impfungen sollen vor einer schweren Erkrankung schützen und Leben retten.
Davon, wie das Leben als Jude im Dritten Reich wirklich war, kann der Holocaust-Überlebende Gidon Lev berichten. Der Tscheche war eines von nur 92 Kindern, die das Konzentrationslager Theresienstadt überlebt haben. Auf TikTok erklärt der 86-Jährige, welche gewaltigen Unterschiede es zwischen dem Holocaust und einer Impfpflicht gibt: "Es ist vernünftig und absolut niemand zwingt euch dazu", sagt er. Auf das Video einer Impfgegnerin, die sich auf TikTok als KZ-Insassin inszenierte, antwortete er: "Schäm dich. Ich war vier Jahre lang in einem Konzentrationslager."
Holocaust-Überlebender: Vergleiche mit der Impfpflicht machen ihn "sprachlos"
Lev empfindet solche Vergleiche als "komplett absurd und lächerlich". "Wir impfen, um am Leben zu bleiben. Um unsere Mitmenschen zu schützen, unsere Freunde. Wir tun das, um Leben zu retten. Die Vorstellung, das mit der Schoah zu vergleichen, deren Ziel es war, Menschen zu diskriminieren, auszugrenzen und sie zu töten, macht mich einfach sprachlos", sagte er in einem Interview mit der "Jüdischen Allgemeinen". Manchmal seien Hass und Antisemitismus der Grund für solche Äußerungen, oft sei es aber auch nur mangelndes Wissen über die historischen Hintergründe, so Lev gegenüber dem britischen Portal "Unilad".

Deshalb ist es Lev, 1935 in Karlsbad geboren, wichtig, die Stimme zu erheben und die Erinnerung an die Gräuel des Holocaust wachzuhalten – auch in den sozialen Netzwerken im Internet. Auf die Idee, einen TikTok-Kanal zu eröffnen, kam seine Partnerin Julie. Als "Holocaust-Überlebender, Optimist, Schelm" bezeichnet sich Lev dort, mittlerweile hat er mehr als 260.000 Follower. Ursprünglich sollte der Auftritt dazu dienen, Levs Buch "The True Adventures of Gidon Lev", in dem er seine Geschichte erzählt, zu promoten.
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Gidon Lev überlebte das KZ Theresienstadt
Auf der Plattform macht Lev gute Erfahrungen: "Ich gebe ja gern zu, dass es viele Dinge auf dieser Plattform gibt, die dumm und lächerlich sind, aber es gibt eben auch Ernsthaftes und Wichtiges. Wie zum Beispiel, sich gegen Schoah-Leugnung oder gegen Antisemitismus einzusetzen. Es überrascht mich immer wieder, wie viele Menschen darauf reagieren und mit mir in Kontakt treten."
Levs Familie flüchtete nach dem Einmarsch von Hitlers Armee ins Sudentenland 1938 nach Prag. 1941, im Alter von fünf Jahren wurde er ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und von seiner Familie getrennt. Sein Vater starb bei einem Todesmarsch, seine Mutter überlebte das KZ. Nach der Befreiung emigrierte Lev nach Kanada.
Quellen: Gidon Lev auf TikTok / "Jüdische Allgemeine" / "Unilad" / "The True Adventures"