Einen solchen Brand hat die Essener Feuerwehr noch nicht erlebt: Ein riesiger Wohnkomplex mit etwa 100 Bewohnern stand am frühen Montagmorgen plötzlich in Flammen. Die Windböen von Sturm "Antonia" fachten den Brand zusätzlich an, so dass das Gebäude binnen kürzester Zeit ausbrannte. Fast ein Wunder: Es wurden zunächst nur drei Verletzte gemeldet. Sie kamen mit Rauchvergiftung ins Krankenhaus. Etwa 100 Personen seien aus dem Komplex in Sicherheit gebracht worden, schilderte ein Feuerwehrsprecher. Das entspreche ungefähr der Zahl der dort wohnenden Menschen. Man habe das zwar noch nicht genau überprüfen können, "aber das kommt ungefähr hin". Die Feuerwehr war mit 150 Einsatzkräften vor Ort. "Das ist sehr schwierig und teilweise gefährlich für die Einsatzkräfte momentan, da in jede Wohnung reinzugehen." Der Brand ist nach Angaben der Feuerwehr noch nicht gelöscht. Innerhalb des Gebäudes gebe es immer noch einzelne aufflackernde Brandnester, sagte ein Feuerwehrsprecher. Eine Ausbreitung des Brandes auf andere umliegende Gebäude könne man dagegen mittlerweile ausschließen.
180 Personen evakuiert
Aus dem ausgebrannten Wohnhaus und aus umliegenden Gebäuden sind etwa 180 Bewohnerinnen und Bewohner in einem benachbarten Hörsaalzentrum untergebracht worden. Dazu gehörten Kinder, Ältere, Menschen im Rollstuhl, "der komplette Altersquerschnitt", sagte der zuständige Abschnittsleiter Betreuung, Sebastian Smitmans, von den Maltesern. Die Menschen "seien gefasst" und ruhig. Notfallseelsorger würden Gespräche anbieten. In dem ausgebrannten Wohnhaus selbst wohnten nach Angaben der Feuerwehr etwa 100 Menschen. Eine 69-jährige Bewohnerin einer Dachgeschosswohnung erzählte, dass sie am frühen Morgen durch lautes Klopfen an der Haustür geweckt worden sei. Sie habe sich nur einen Mantel überwerfen und sich Schuhe anziehen können. "Mein Handy habe ich auf dem Nachttisch liegen gelassen", berichtet sie. Auch ihre Brille sei dort geblieben. Man habe ihr gesagt, dass ihre Wohnung komplett verbrannt sei.
Feuer in Essen – Augenzeuge: "Ok, das ist ernster"
Der 35 Jahre alte Lennart Diedrich war als direkter Anwohner einer der ersten Augenzeugen des Feuers. "So um zwei Uhr war's, als ich ins Bett gehen wollte und so die letzten Lichter ausgemacht habe und draußen "Feuer! Feuer!" geschrien wurde", berichtet Diedrich der Deutschen Presse-Agentur. "Und dann hab ich aus dem Fenster geschaut, und da kam da, wo die Jalousien so auf Halbmast hängen, Rauch raus. Da hab ich gesagt: "Ok, das ist ernster."" Er versuchte, die Feuerwehr zu rufen, zog sich an und rannte raus. "Dann kamen schon von der ganzen anderen Gebäudeseite Flammen hochgelodert. Es glich einem Inferno. Der Wind peitschte die Flammen an - Funken." Kurz darauf traf der erste Feuerwehrwagen ein. Die Feuerwehrleute liefen ins Haus und riefen dann: "Wir brauchen mal Hilfe!" Diedrich folgte dem Aufruf zusammen mit zwei anderen Personen. "Dann sind wir hochgelaufen in dem Treppenhaus da, zu dritt. Und da war ein Rollstuhlfahrer, der den Fahrstuhl natürlich nicht mehr benutzen konnte und nicht runtergekommen ist. Da haben wir den zu dritt runtergetragen. Zwei hinten, ich hab vorne angepackt, haben ihn runtergetragen. Dann kam die Polizei, und es wurde alles evakuiert."

Verkehrsbehinderungen nach Großbrand
Es sei dann unheimlich schnell gegangen. "Innerhalb von 20 Minuten stand das ganze Haus komplett in Flammen. Man hat das Gefühl, das ist ein Feuer-Inferno, in dem man sich hier befindet." Am Montagmorgen schlugen immer noch Flammen aus dem ausgebrannten L-förmigen Gebäudekomplex. Aufgrund der Löscharbeiten kam es zu Behinderungen im Berufsverkehr. Die Segerothstraße und die Friedrich-Ebert-Straße im Essener Westviertel waren nach Feuerwehr-Angaben voll gesperrt. Das Westviertel grenzt unmittelbar westlich an den Essener Stadtkern an. Erst kürzlich hatte die "WAZ" über eine Serie von Bränden in der Stadt berichtet. Dreimal habe es innerhalb einer Woche im Eltingviertel nördlich des Stadtkerns gebrannt.
Oberbürgermeister äußert sich erleichtert
Angesichts des Großbrands hat sich Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) erleichtert geäußert, dass offenbar niemand ums Leben gekommen ist. Das sei "bei diesem Feuer von diesem Ausmaß nicht selbstverständlich", sagte Kufen der DPA. Es werde niemand vermisst. Zum Glück gebe es bisher nur drei Menschen mit einer Rauchvergiftung – "dank des Einsatzes der Nachbarinnen und Nachbarn, aber auch der Einsatzkräfte unserer Feuerwehren und des Rettungsdienstes". Darauf sei er sehr stolz. Die Stadtverwaltung kümmere sich jetzt um die Unterbringung der Menschen, die nicht wieder zurück in ihre Wohnungen können. "Eine Bürgerhotline ist geschaltet und ein Spendenkonto wird gerade eingerichtet, weil ich weiß, dass die Essenerinnen und Essener in dieser Situation zusammen halten und eine große Hilfsbereitschaft zeigen."