Tödliche Schüsse in Halle Angriff am jüdischen Versöhnungstag – was an Jom Kippur gefeiert wird

Von Michael Lehmann
Attacke: Attentäter erschießen zwei Menschen in Halle – Polizei fasst Täter
In Halle an der Saale sind nach ersten Erkenntnissen der Polizei zwei Menschen getötet worden. Ein Tatort soll ein DönerImbiss sein, der zweite liegt in der Nähe einer Synagoge mit angrenzendem jüdischem Friedhof. Die Polizei ging anfangs von mehreren bewaffneten Tätern aus, inzwischen deutet vieles auf einen Einzeltäter hin. Auch in Landsberg - rund 15 Kilometer von Halle entfernt - wurde geschossen, wie die Polizei bestätigt. Zu den näheren Umständen des Vorfalls in dem Ort im Saalekreis wollte sie zunächst nichts sagen. Augenzeugen berichteten, dass ein Täter in einen nahe gelegenen Döner-Imbiss geschossen habe.
Am frühen Nachmittag meldete die Polizei dann die Festnahme einer Person. "Bleiben Sie trotzdem weiterhin wachsam", twitterte die Polizei und rief die Bevölkerung auf, in ihren Wohnungen oder an ihrem Arbeitsplatz zu bleiben. Auch das mobile Warn- und Informationssystem Katwarn wendete sich mit einer "Gefahrendurchsage" an die Bevölkerung. "Gebäude und Wohnungen nicht verlassen. Von Fenster(n) und Türen fern bleiben!"
Das Exklusiv-Video von RTL zeigt einen der mutmaßlichen Täter an seinem Auto.
Die tödliche Schüsse in Halle an der Saale fielen an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. Nach dem Angriff nahe der Synagoge von Halle sind in mehreren Bundesländern die Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Gotteshäusern verstärkt worden.

Bei Angriffen mitten in Halle an der Saale haben schwer bewaffnete Täter vor einer Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen. Die Stadt Halle sprach am Mittwoch von einer "Amoklage". 

Nach Angaben des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, richtete sich der Angriff der Täter direkt gegen die Synagoge, in der zu dem Zeitpunkt 70 bis 80 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. Am frühen Nachmittag meldete die Polizei die Festnahme einer Person. Der Generalbundesanwalt zog die Ermittlungen an sich - wegen Mordes von besonderer Bedeutung. Ob es sich um eine antisemitische Tat handelt, sei noch unklar, sagte ein Sprecher in Karlsruhe.


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Jom Kippur ist der höchste jüdische Feiertag, ein Tag der Sühne, der inneren Reinigung, der Versöhnung. Ein Tag, der – je nach Konstitution und Haltung des Gläubigen – durch mehr oder weniger strenge Enthaltsamkeit geprägt ist.

Was an Jom Kippur gefeiert wird

Bereits am Vorabend bei Sonnenuntergang beginnt das Fasten: Speisen, Getränken und Sex ist zu entsagen, Strengere verzichten auch auf Lederschuhe und kleiden sich in Weiß. Sünden wurden von Alters her an diesem Tag auf ein Tier übertragen, bevor man es in "die Wüste schickte" oder schlachtete. Martin Luther formte daraus später den "Sündenbock". Der Feiertag am Mittwoch dieser Woche endet mit dem Blasen des "Schofar", eines großen Widderhorns.

Nach Gründung des Staates Israel ist dieser Tag auch als Moment der Verwundbarkeit bekannt geworden. Syrien und Ägypten nutzten im Oktober 1973 die festlich bedingte Lähmung der öffentlichen Ordnung im jüdischen Staat für einen Überraschungsangriff, gegen den Israel erst mühselig Truppen mobilisieren musste. Dieser von Israel letztlich gewonnene Krieg führte zwar nicht zur Versöhnung mit allen Nachbarn, aber letztlich zur Anerkennung des Staates Israel durch Ägypten in Camp David 1979.

Nach Schüssen in Halle an der Saale: Höhere Sicherheitsvorkehrungen vor Synagogen

Nach den tödlichen Schüssen nahe der Synagoge von Halle sind in mehreren Bundesländern die Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Gotteshäusern verstärkt worden. In Berlin wurde die Hauptstadt-Polizei gebeten, die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen in der Stadt umgehend und bis auf weiteres zu erhöhen. "Diese Maßnahmen setzen wir im Moment im Einvernehmen mit den jüdischen Gemeinden um", sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD). 

Auch in Nordrhein-Westfalen würden die Schutzmaßnahmen vor israelisch-jüdischen Einrichtungen "beträchtlich erhöht", sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Das gelte vor allem für größere, exponierte Synagogen. In NRW gibt es größere jüdische Gemeinden mit Synagogen unter anderem in Düsseldorf, Köln, Duisburg, Münster, Aachen, Essen, Bochum und Wuppertal.

Ähnlich sah es in anderen Bundesländern aus. "Wir haben bis auf weiteres die Schutzmaßnahmen bei allen jüdischen Einrichtungen hochgefahren", sagte ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums in Stuttgart. 

Auch in Hannover verstärkte die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Gemeinden. Außerdem seien Polizisten aus Niedersachsen zur Unterstützung der Einsatzkräfte in Sachsen-Anhalt angefordert worden, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums in Hannover. In München wurden Streifen sensibilisiert und darauf hingewiesen, dass der Vorfall in Halle in Zusammenhang mit einer jüdischen Einrichtung steht.

In Thüringen überwachte die Polizei Verkehrswege aus Halle in Richtung Thüringen sowie Orte in der Nähe der Landesgrenze. Zudem nahmen Polizeistreifen verstärkt Synagogen und andere Einrichtungen der jüdischen Gemeinde in den Blick, wie die Landespolizeidirektion in Erfurt mitteilte.

DPA
fs / mit Material der Nachrichtenagentur DPA

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