Flammen schlagen aus dem Dach des rund 400 Jahre alten historischen Börsengebäudes, mitten im Herzen von Kopenhagen. Rauch quillt in die Luft und zieht über die Dächer der dänischen Hauptstadt. Der Brand in einem der ältesten Gebäude Kopenhagens bewegt viele Dänen. Sie sind geschockt, schauen fassungslos zu, weinen. Es ist ihr "Notre-Dame-Moment", wie es Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen beschreibt.

Tatsächlich hat die "Børsen" für die Dänen eine ähnliche Bedeutung, wie die weltberühmte Kathedrale in Paris, die 2019 den Flammen zum Opfer fiel.
Das Gebäude geht auf Christian IV. zurück, König von Dänemark und Norwegen von 1588 bis 1648, der Kopenhagen zu einer internationalen Handelsmetropole der Zukunft machen wollte. Dazu brauchte der König eine Börse, an der die verschiedenen Handelsströme zusammenlaufen sollten.
Die Drachenspitze der "Børsen" sollte sie vor Feuer beschützen
1619 wurde mit dem Bau begonnen. Sand- und Ziegelsteine, Holz und Marmor wurden verbaut. König Christian verfolgte den Bau mit Argusaugen – von seinem Schloss aus konnte er die Arbeiten beobachten.
Doch der Monarch war mit seinem neuen Handelszentrum zunächst nicht zufrieden. Für ihn wirkte das Gebäude eher wie ein Lagerhaus. Der königliche Glanz fehlte. Deshalb wies er 1623 den Architekten an, das Dach zu verändern und einen Giebel mit einem Portal zum Schlossplatz und Oberlichtern zum Hafen hin anzubauen. Außerdem wünschte sich Christian IV. einen besonderen Turm. Dieser sollte von vier Drachen mit ineinander verschlungenen Schwänzen geschmückt werden. Die Drachenspitze, ein Wahrzeichen Kopenhagens, sollte "Børsen" vor Feinden und Feuer schützen. Im Laufe der Jahrhunderte ist ihr das auch gelungen. Die Nachbargebäude und das Schloss Christiansborg fielen den Flammen zum Opfer, aber die Drachen beschützten "Børsen" – bis zum 16. April 2024.

1624 öffneten die ersten Geschäfte in den unteren Stockwerken der "Børsen". Das Gebäude galt als Beispiel der niederländischen Renaissance. Seitdem hat das ikonische Bauwerk jedoch mehrfach sein Aussehen verändert. Doch im Jahr 1883 wurde es zu viel des Guten: Nachdem die alten Backsteine durch moderne Steine worden waren, verlor das Gebäude sein ursprüngliches Renaissance-Aussehen. Um dies zu korrigieren und die "Børsen" zum alten Antlitz zu verhelfen, wurde sie restauriert. Im Herbst hätte das Gebäude sein 400-jähriges Bestehen gefeiert.
Die historische Börse von Kopenhagen – ein Ort des Großbürgertums
Die "Børsen" war nicht nur Handelsplatz, sondern auch ein Ort, an dem sich das damalige Großbürgertum sehen ließ und bildete. Mit all den ausländischen Kaufleuten und dem ersten Postamt Dänemarks wurde "Børsen" zu einem Zentrum für Nachrichten. In den vielen Buchhandlungen traf man Gelehrte, die neugierig die neuesten Bücher aus dem Ausland lasen.
Um 1800 herum endete die Zeit als Warenbörse, viele Geschäfte verlagerten sich in die Stadt. Stattdessen gewann der Handel mit Wertpapieren an Bedeutung. 1857 wurde das Gebäude von der Grosserer-Societetetet (heute Dansk Erhverv) gekauft. 1974 zog die Kopenhagener Fondsbörse aus.
Heute wird die historische Börse von der Dansk Erhverv, der dänischen Handelskammer, als Büro- und Veranstaltungsgebäude genutzt. Die alten Zeiten des florierenden Handels sind in "Børsen" Geschichte. Doch das Gebäude beherbergte lange Zeit viele Kunstschätze. Zur großen Kunstsammlung gehört unter anderem das Werk "Von der Kopenhagener Börse" von P.S. Krøyer aus dem Jahr 1895, das zusammen mit anderen Kunstgegenständen vor den Flammen gerettet wurde.

"400 Jahre dänischen kulturellen Erbes gehen in Flammen auf", kommentierte Dänemarks Kulturminister Jakob Engel-Schmidt die Katastrophe. Expertinnen und Experten des Nationalmuseums eilten zum Brandort, um den Schaden zu begutachten und die geretteten Gemälde zu sichern.
Erste Forderungen nach Wiederaufbau – nach Vorbild der Notre Dame
Noch während der Rauch aus dem ausgebrannten Gerippe des Daches stieg, noch während die Glut loderte, forderten die ersten Politiker, die "Børsen" zur dänischen Notre Dame zu machen.
Martin Lidegaard, Vorsitzender der sozialliberalen Partei Radikale Venstre, hofft, dass "Børsen" nach dem Vorbild der Pariser Kathedrale wieder aufgebaut werden kann, sagte er dem Fernsehsender TV 2. Jan E. Jørgensen von der rechtsliberalen Partei Venstre nannte den Brand eine "ausgesprochene nationale Katastrophe": "Ich denke, wir sollten es wieder aufbauen lassen. Ich weiß nicht, wie es mit der Versicherung aussieht, aber wir werden alles tun, was wir von staatlicher Seite aus tun können, um zu helfen", sagte er dem Sender und fügte hinzu: "Es wird nicht dasselbe sein, aber es könnte etwas Ähnliches werden."
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Kulturminister Engel-Schmidt dämpfte jedoch solche Forderungen. Es sei noch zu früh, um darüber zu sprechen. Sein Bauchgefühl sage ihm zwar, dass ein Wiederaufbau richtig sei. Aber "Die Flammen sind noch dabei, das Gebäude zu zerstören", sagte er. Zu einem möglichen Wiederaufbau äußerte sich auch Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zurückhaltend: "Wir müssen darüber erst diskutieren, wenn wir wissen, wie groß die Konsequenzen sind."
Quellen: Dansk Erhverv, Børsbygningen, Visit Copenhagen, hovestadshistorie.dk, Nachrichtenagenturen DPA und AFP