Beispiel Verbrenner-Aus. Friedrich Merz will im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs auch darüber diskutieren. Er will die Regel schleifen, diese und viele weitere Vorschriften und Verbote: "Es ist einfach zu viel." Die Regulierungsdichte müsse "grundlegend korrigiert werden".
Starke Sätze, die große Erwartungen schüren – insofern war das Statement des Kanzlers zum Ende der Kabinettsklausur am Morgen vor der Villa Borsig ein typischer Merz. "Grundlegend korrigieren" – sprach's, stieg vom Podium und flog nach Kopenhagen zum informellen EU-Gipfel.
Um all diese bürokratischen Regeln abzuschaffen? Zumindest darüber zu reden? Ausgerechnet in Kopenhagen?
In Kopenhagen gibt es seit Tagen kein anderes Thema als: Drohnen
Sicher, beim knappen Statement nach der Vorfahrt am Schloss Christiansborg sprach Merz sein großes Thema an: "die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und das hohe, zu hohe Maß der Regulierung in Europa".
Aber in der dänischen Hauptstadt kennt man seit Tagen kein anderes Thema als dieses: Drohnen. Dutzende unbemannte Flugobjekte hatten den Verkehr am Airport lahmgelegt, waren über kritischer Infrastruktur geflogen. Polizei und Armee schauten machtlos, die Öffentlichkeit entsetzt zu.
Und so kam es ein bisschen anders. Und Merz hätte es wissen können. Aber diesen Punkt wollte der Kanzler hier und heute schon mal im Kreise der EU-Lenker hinterlegen.
Tausende Beamte wurden in die Hauptstadt beordert, um die mehr als 40 Staatenlenker zu beschützen, die zum Treffen der EU und der Europäischen Gemeinschaft nach Dänemark gekommen sind. Die Amerikaner haben Anti-Drohnen-Technik geschickt, die Ukrainer erfahrene Drohnen-Spezialisten. Auch Frankreich, Polen und die nordischen Nachbarn helfen aus. Und vor Kopenhagen ist die deutsche Luftabwehrfregatte "Hamburg" im Einsatz. Deren Radar sei in der Lage, gleichzeitig über 1000 Flugobjekte zu erfassen, auch Drohnen.

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Im so geschützten Raum sollte es weniger um Bürokratie als um zwei andere große Themen gehen: die weitere Unterstützung der Ukraine und die verbesserte Verteidigungsfähigkeit der EU. Was die Ukraine-Hilfe angeht, hatte Merz selbst kürzlich in der "Financial Times" einen Vorschlag gemacht, wie man verfahren könnte mit jenen 200 Milliarden russischen Staatsvermögens, die eingefroren in Brüssel lagern. Kurz: Er will sie nun doch nutzen, zumindest indirekt für EU-Anleihen.
Bisher gehörte auch Deutschland zu jenen Ländern, die wie Belgien zur Vorsicht in dieser Frage mahnten. Belgien fürchtet, von Russland verklagt zu werden, Deutschland (bisher) um den Ruf des Finanzplatzes Europa, Frankreich (noch immer) um seine hohe Schuldenquote. Doch seit den Europäern klar ist, dass der US-Präsident wirklich kein weiteres Geld in Richtung Kiew schicken wird, kommt Bewegung in die quälende Debatte. Mit Beschlüssen ist trotzdem frühestens auf dem nächsten offiziellen Gipfel Ende Oktober in Brüssel zu rechnen.
Das gilt auch für den zweiten Tagungsordnungspunkt, die verbesserte Verteidigungsfähigkeit. Auf dem Tisch lag ein Diskussionspapier der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Im Fokus hier: Drohnen, genauer ein ganzer "Drohnenwall".
Um große Schwärme russischer Flugobjekte schon an der EU-Außengrenze abzufangen, soll ein System von Flakgeschützen, Raketen und Drohnen entwickelt werden. Die Idee stammt ursprünglich aus Estland, jetzt steht sie ganz oben auf der Liste gemeinsamer Verteidigungsprojekte, die nach dem Willen von der Leyens auch gemeinsam finanziert werden sollen.
Anlässe liefert Russland derzeit im Wochenrhythmus. Schon als Putin seine Billigdrohnen in den Luftraum von Polen und Rumänien fliegen ließ, blieb der Nato nichts anderes übrig, als Kampfjets aufsteigen zu lassen und sie mit teuren Raketen abzuschießen. Das gab Vielen zu denken.
Umso schmerzvoller die Erkenntnis, dass ein paar Drohnen genügen, um ein halbes Land lahmzulegen
Dabei hatte man sich mit der Invasion in der Ukraine gerade erst wieder an den Schrecken eines konventionellen Krieges gewöhnen müssen: mit Panzern und Haubitzen. Längst wird dieser Krieg in der Ukraine von Drohnen dominiert, auch der hybride Krieg, den Russland gegen den Westen führt.
In Dänemark tobt darüber inzwischen eine Debatte. Wie in fast allen EU-Staaten hatte man die Landesverteidigung jahrelang vernachlässigt und muss nun hektisch nachzurüsten. "Kaufen, kaufen, kaufen", hatte die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen noch im Frühjahr als Motto ausgegeben. Und man kaufte: Panzer und Kampfjets. Umso schmerzvoller die Erkenntnis, dass ein paar Drohnen genügen, um ein halbes Land lahmzulegen.
Laufen wir schon wieder in die falsche Richtung? Diese Frage muss sich die dänische Regierungschefin inzwischen stellen. Früher oder später wird sie vielleicht auch die Bundesregierung erreichen.
Die ist von sich aus in die Offensive gegangen. Innenminister Alexander Dobrindt hat angekündigt, die Drohnenabwehr zu stärken. Um Deutschland besser gegen die "neue hybride Gefahr" zu rüsten, will er gesetzlich regeln, wer wann zuständig ist. Am Rande der Kabinettsklausur erklärte er den Dobrindt’schen Dreisprung aus "aufspüren, abfangen und abwehren", wobei das Abwehren "ausdrücklich auch das Abschießen" umfassen soll.
Dazu will der CSU-Politiker ein "Gemeinsames Drohnenabwehrzentrum" einrichten, wo auch die Gefährdungslage analysiert und Gegenmaßnahmen veranlasst werden. Nicht immer ist sofort klar, ob es sich um Spionage, einen Angriff oder nur um eine verirrte Privatdrohne handelt.
Zuletzt sah man Drohnen, mutmaßlich zu Spionagezwecken, im Großraum Kiel. Sie haben ein Kraftwerk, eine Militärwerft und sogar die Staatskanzlei von CDU-Mann Daniel Günther überflogen.
Die Sache eilt also. Oder wie der neue Heeresinspekteur der Bundeswehr, Christian Freuding, im Tagesbefehl schrieb: "Der Feind wartet nicht auf unsere 'Fertig'-Meldung." Ein Satz, den Friedrich Merz sicher so unterschreiben würde.
Am Donnerstag wird auch der ukrainische Präsident Wolodymir Selenksyj in Kopenhagen erwartet. Merz wird weitere Gespräche mit Amtskollegen führen. Und was ist nun mit Bürokratieabbau? "Wir müssen dieser Maschine in Brüssel jetzt mal das Stöckchen in die Räder halten, damit das mal aufhört", hatte Merz kürzlich in Köln vor Wirtschaftsvertretern gesagt. In drei Wochen auf dem offiziellen EU-Gipfel in Brüssel kann er das Stöckchen wieder hervorholen.