Es war wahrscheinlich einer der längsten Gottesdienste, der in den Niederlanden je stattgefunden hat. Er dauerte über drei Monate an, laut der "New York Times" waren rund 1000 Priester und Pastoren aus ganz Europa involviert. Am Mittwochabend, nach 96 Tagen Dauergottesdienst, verkündete die Bethel-Kirche in Den Haag schließlich: "Hurra! Die Kirche ist geschlossen." Die Politik hat eingelenkt - und die Gemeinde ihr Ziel erreicht.
Das Kerkasiel in den Niederlanden
Der Dauergottesdienst begann am 26. Oktober 2018, das Drama schon Jahre zuvor. Eine armenische Familie hatte in der protestantischen Kirche Schutz gesucht, um ihre Abschiebung zu verhindern. Die Eltern und drei Kinder im Alter von 15 bis 21 Jahren verließen ihr Heimatland vor neun Jahren, nach eigenen Angaben aufgrund von Morddrohungen gegen den Vater. Ab 2010 lebten sie in den Niederlanden. Zwei Versuche die Familie abzuschieben scheiterten vor Gericht. Beim dritten Mal wurde ihr Asylgesuch abgelehnt. Die Familie flüchtete sich ins Kirchenasyl.
Die Gemeinde nutzte daraufhin eine gesetzliche Regelung des Kerkasiel, des Kirchenasyls, um die armenische Flüchtlingsfamilie vor der Abschiebung zu bewahren. Demnach darf die Polizei nur dann in eine Kirche eindringen, wenn dort kein Gottesdienst gefeiert wird. Der Startschuss für den Dauergottesdienst.
Durchbruch nach 96 Tagen Dauergottesdienst
Und der Beginn einer großen Solidaritätswelle. Unter dem Hashtag "#kerkasielBethel" trommelten viele Niederländer für ein Bleiberecht der armenischen Familie, eine Petition forderte ein Umdenken im Umgang mit Flüchtlingskindern ohne Aufenthaltsrecht - das Papier fand rund 250.000 Unterzeichner.
In der Nacht zum Mittwoch, nach 96 Tagen Dauergottesdienst, schließlich der Durchbruch: Die niederländische Regierungskoalition hatte sich nach langen Kontroversen auf eine humanitäre Bleibe-Regelung geeinigt. Demnach dürfen rund 600 Minderjährige und ihre Familien in den Niederlanden bleiben - auch wenn ihr Asylantrag abgewiesen wurde. Voraussetzung ist, dass die Kinder in den Niederlanden aufgewachsen sind. "Wir sind sehr dankbar über die sichere Zukunft für Hunderte von Flüchtlingsfamilien in den Niederlanden," sagte der Vorsitzende des Kirchenrates, Theo Hettema.
Quellen: "Buzzfeed News", "New York Times"