Heute vor 42 Jahren Das Schicksal der "Ocean Ranger": Darum versank die weltgrößte Bohrinsel im tosenden Atlantik

Archivaufnahme der Ölplattform Ocean Ranger im Atlantik
Die Bohrinsel "Ocean Ranger" war damals die größte Ölplattform der Welt
© DB UPI / Picture Alliance
Heute vor 42 Jahren brach über die "Ocean Ranger" im Atlantik ein schwerer Sturm herein. Die damals weltweit größte Bohrinsel galt als unsinkbar. Doch ein schwerer Wirbelsturm und meterhohe Wellen verschluckten sie – und mit ihr alle 84 Besatzungsmitglieder.

Als am Abend des 14. Februars 1982 ein Sturm über die "Ocean Ranger" hereinbricht, verfallen die Besatzungsmitglieder nicht gleich in Panik. Schließlich haben sie auf ihrem Arbeitsplatz im Nordwest-Atlantik auf der größten Bohrinsel vor der Küste Neufundlands schon häufiger heftige Unwetter erlebt. Erst ein Jahr zuvor wurde die 1976 erbaute 25.000 Tonnen schwere Plattform auf die Neufundlandbank gebracht, ein Gebiet, das bekannt ist für hohen Seegang. Die "Ocean Ranger" kommt zum Einsatz, wenn es für kleinere Bohrinseln zu gefährlich ist. Sie gilt aufgrund ihrer Größe als unsinkbar.

Die 121,5 Meter lange und 90,7 Meter breite Bohrinsel, die so hoch ist wie ein 35-stöckiges Gebäude, wurde als Halbtaucherfahrzeug konstruiert. Die Bohrplattform ist auf acht Säulen platziert, die an zwei parallelen Pontons befestigt sind. Diese ruhen 24 Meter unter der Wasseroberfläche. Tanks in den Pontons sorgen für einen gleichmäßigen Wasserstand und eine angemessene Tiefe. An einem Bohrplatz angekommen, werden zwölf Anker gesetzt und die Ballasttanks in den Pontons mit Meerwasser gefüllt, bis die entsprechende Bohrtiefe erreicht ist. Der Auftrieb der Plattform wird über eine Reihe von pneumatisch betriebenen Ventilen gesteuert, die von einem Besatzungsmitglied im Ballastkontrollraum über eine elektrische Schalttafel bedient werden.

Schwerer Sturm trifft die "Ocean Ranger"  

Anders als bei anderen Ölplattformen befindet sich der Ballastkontrollraum auf der "Ocean Ranger" im inneren einer Säule auf der Steuerbordseite der Plattform und liegt etwa in acht Metern Höhe über dem Wasser. Um den aktuellen Seegang zu beobachten, muss der diensthabende Arbeiter durch die vier Bullaugen gucken. Die kleinen runden Fenster haben eine Stahlabdeckung, die von innen befestigt werden können, damit die Scheiben bei Sturm nicht beschädigt werden.

Trotz des Sturms gehen die Bohrungen auf der "Ocean Ranger" zunächst weiter. Doch im Laufe des Abends wird das Unwetter immer heftiger. Normalerweise werden bei schwerem Seegang die Bohrungen ausgesetzt, damit die Bohrinsel über die hohen Wellen gehoben werden kann. Doch als der Werkzeugschieber, der alle Arbeiten an einer Ölbohranlage überwacht, entscheidet, die Bohrinsel anzuheben, ist es schon viel zu spät.

Der Sturm fegt teilweise mit 150 Stundenkilometern über die Bohrinsel hinweg. Knapp 30 Meter hohe Wellen peitschen gegen den Stahlkoloss. Gegen 19:45 Uhr trifft eine große Welle auf die "Ocean Ranger" und zerschlägt zwei Fenster vom Ballastkontrollraum. Das einschießende Salzwasser durchtränkt die elektrische Schalttafel, die nun zu blinken anfängt. Dann dringt plötzlich Wasser in die vorderen Ballasttanks und bringt die Bohrinsel in eine gefährliche Schräglage.

Ob ein Bedienfehler oder ein Kurzschluss für das Öffnen der Ventile verantwortlich ist, bleibt unklar. Fakt ist: Kaum einer der Männer an Bord ist für die Bewältigung technischer Probleme angemessen ausgebildet. Und weder der Kapitän der Bohrinsel noch der Bediener der Ballastkontrolle verstehen das Pumpensystem gut genug, um die einzige Technik anzuwenden, mit der das Wasser effektiv aus den Ballasttanks gepumpt werden kann.

Crew der "Ocean Ranger" flüchtet in die Rettungsboote

Es ist etwa ein Uhr und inzwischen der 15. Februar, als den Arbeitern das für unmöglich Gehaltene klar wird: Die "Ocean Ranger" sinkt. Die Crew setzt einen Notruf ab. Aber viel zu spät. Allein die Rettungshubschrauber benötigen für einen solchen Fall zwei Stunden Vorlaufzeit. Es gibt jedoch keine andere Möglichkeit, als die Anlage so schnell wie möglich zu evakuieren – und das unter den schlimmstmöglichen Bedingungen. Es ist nicht nur stürmisch, sondern auch eiskalt. Und keiner der Männer hat angemessene Schutzkleidung, geschweige denn eine Notfallausrüstung, die sie vor Unterkühlung schützt.

Während die Bohrinsel immer weiter kippt, laufen die Männer im Schneetreiben zu den Rettungsbooten. Diese müssen an Seilen 24 Meter in die tosende See hinabgesenkt werden. Im heulenden Wind schaukeln die Boote heftig hin und her, prallen dabei an die Beine der Plattform. Als eines von ihnen aufgrund eines Lecks schnell mit eiskaltem Salzwasser vollläuft, springen die Insassen in Panik auf den Rand des Rettungsbootes und klammern sich am Vordach fest, sodass es umkippt und die Männer in die eisige See stürzen.

Von den vier Rettungsbooten an Bord der "Ocean Ranger" werden später nur drei geborgen. Zwei von ihnen werden beim Aussetzen beschädigt. Ein drittes wird offenbar gar nicht benutzt, man findet es später noch an Deck verstaut. Vermutlich sind einige Besatzungsmitglieder in ihrer Panik auch direkt in den eiskalten Atlantik gesprungen.

Die Bohrinsel Ocean Ranger im Atlantik
Archivaufnahme der Ölplattform "Ocean Ranger" im Atlantik
© Imago Images

Zwar machen sich sofort mehrere Boote und Hubschrauber auf den Weg, um den Besatzungsmitgliedern zu helfen, aber der schwere Sturm macht es ihnen schwer, sich der Unglücksstelle zu nähern. Das erste Schiff in dem Gebiet ist das Versorgungsschiff "Seaforth Highlander". Es kommt bis auf wenige Meter an die Männer heran und wirft ihnen Netze über die Bordwand zu. Doch die Arbeiter sind zu erschöpft und unterkühlt, um sie zu ergreifen. Schnell werden sie von den eiskalten Wassermassen überwältigt und verlieren das Bewusstsein. Auch die Ölplattform wird schließlich komplett vom tosenden Atlantik verschluckt. Gegen 3.30 Uhr sinkt sie auf den Meeresgrund.

Drei Stunden nachdem die Männer in die Rettungsboote gestiegen waren, erreichen auch die Hubschrauber die letzte bekannte Position der "Ocean Ranger". Um 4:56 Uhr setzen sie einen Funkspruch ab und teilen mit, dass sie die Bohrinsel nicht finden, aber Leichen und Stroboskoplichter an den Rettungswesten sehen können.

Niemand der 84 Besatzungsmitglieder überlebt das Unglück. Nur 22 Leichen können geborgen werden, einige von ihnen hängen noch in den Gurten eines gekenterten Rettungsbootes. Die Obduktion ergibt, dass keiner von ihnen ertrunken ist, sondern alle an Unterkühlung starben.

Das Wrack liegt nach dem Unfall nur rund 32 Meter unter der Meeresoberfläche und stellt eine Gefahr für große Schiffe dar. Drei Taucher kommen bei dem Versuch, die gesunkene Plattform wieder flott zu machen, ums Leben. Am 22. August gelingt es schließlich, die Bohrinsel kopfüber in tieferes Wasser zu schleppen, wo sie noch immer liegt. Bis heute finden in Neufundland jedes Jahr am 15. Februar Gedenkveranstaltungen statt.

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