Spatzen sind frech, Amseln singen schön, Kiebitze sind gefährdet – und Stadttauben werden von vielen Menschen mies behandelt und erregen vielfach Mitleid. Irgendwie hätten alle diese Tiere es verdient, zum "Vogel des Jahres" gewählt zu werden. Genau wie die Blaumeise, das Rotkehlchen, der Eisvogel, die Feldlerche, der Goldregenpfeifer oder die Rauchschwalbe. Sie alle stehen auf der Liste der zehn letzten Kandidaten, die es in die Endausscheidung geschafft haben. Noch bis zu diesem Freitag um 19.30 Uhr ist die virtuelle Wahlkabine geöffnet.
Normalerweise wird der "Vogel des Jahres" von Naturschützern gekürt. Ziel war in früheren Zeiten meist, auf eine besondere Gefährdung hinzuweisen und die Situation des Vogels in Deutschland zu verbessern. 1971 fand die Kampagne erstmals statt. Erster "Preisträger" war der damals in Deutschland vom Aussterben bedrohte Wanderfalke.
Bei der Wahl zum "Vogel des Jahres" kann jeder online abstimmen
Nun aber, zum 50. Jubiläum der Aktion vom Naturschutzbund Deutschland und dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern, darf jeder mitwählen. Unter "vogeldesjahres.de" findet man eine sehr professionelle Abstimmungsseite, die im Superwahljahr locker mit Online-Angeboten von Parteien mithalten kann.
Neben der Möglichkeit, seine Stimme abzugeben, finden Vogelfreunde auf der Website auch echtes Wahlkampfmaterial. Sie können ein Wahlkampfteam gründen, sich Wahlplakate herunterladen und teilen oder per Wahl-o-mat, pardon "Bird-o-Mat" herausfinden, welchem Vogel sie ihre Stimme geben sollen.
Auch werden dort die "besten Wahlkampfteams" vorgestellt, also Gruppen, die für ihre Lieblingsvögel besonders viele Stimmen eingeheimst haben, wie die "Goldregenpfeifer-Ultras", "Lerchenpower" oder die "Ingolstädter Amselflüsterer".
Allerdings rufen einige dieser Teams auch Kritik hervor. Denn unter den 20 fleißigsten Gruppen sind allein fünf, die sich für Stadttauben einsetzen. Zwar ist allgemein bekannt, dass diese Tauben in Städten teils ein schlechtes Leben haben – die Art ist aber bei weitem nicht gefährdet.
Der Top-Kandidat Stadttaube ruft auch Kritik hervor
Das fleißige Engagement der Taubenfreunde veranlasste beispielsweise die "FAZ" dazu, einen Kommentar unter dem Titel "Bitte nicht die Stadttaube" zu verfassen. Die Wahl sei auch ein Indiz für die reduzierte Wahrnehmung der Vogelwelt durch viele Menschen, die überwiegend in Städten leben, so der Autor. Die Taube hat also mittlerweile offenbar eine starke Lobby – und das nicht nur bei Freunden des Brieftaubensports.
Auch andere Teams werden nicht unbedingt immer von Naturschutzgedanken geleitet. So machen die Regensburger Domspatzen fleißig Wahlkampf für ihr Wappentier – weil der Spatz ihr Maskottchen ist.
Die Hälfte der zehn Vogel, die es in die Endausscheidung geschafft haben, sind ungefährdet. Was allerdings nicht heißt, dass man nicht mehr für diese Arten tun könnte. Auch sie – wie etwa das Rotkehlchen – profitieren davon, wenn es beispielsweise in Gärten naturnaher zugeht und dort keine exotischen Pflanzen wachsen oder Schotterwüsten ausgeschüttet werden. Auch auf solche Faktoren macht die Kampagne für die Wahl zum "Vogel des Jahres" aufmerksam.
In den letzten Stunden der Abstimmung wird also noch um jede Stimme gekämpft. Das Interesse ist groß. Bis Ende Februar hatten laut ZDF und Nabu schon mehr als 200.000 Menschen abgestimmt. Welcher Vogel gewonnen hat, wird im Livestream von Radioeins am Freitagabend verkündet. Walberichterstattung vom Feinsten – und passend zum Superwahljahr.
Quellen: vogeldesjahres.de, FAZ, ZDF, "Domradio.de"