Nein, mit schnöder Industrieware aus fern- oder nahöstlicher Fabrikation hat das nichts zu tun. Die Körbe am Stand von Andrea Mohr sind Meisterwerke der Handwerkskunst. Nicht umsonst heißt ihre Werkstatt "Flechtphantasien". Vom einfachen Einkaufskorb bis zur Kinderwagenwanne, vom filigranen Spinnennetz bis zum geflochtenen Seepferdchen – praktisch alles kann die gelernte Flechtwerkerin aus Weidenruten und anderen Naturmaterialien herstellen.
Die Kunst des Flechtens gibt es seit Jahrtausenden, wie lange genau, ist schwer zu ermitteln, da solche natürlichen Werkstoffe recht schnell zerfallen, wenn sie nicht trocken gelagert werden. Ein nachhaltigeres Material lässt sich schwer finden. Jedes Jahr werden die jungen Triebe von sogenannten Kopfweiden abgeschnitten, getrocknet und weiterverarbeitet. Um sie später wieder biegsam zu bekommen, werden die Ruten für Stunden oder manchmal auch ganze Tage in kaltem oder warmem Wasser eingeweicht.
Wird die Rinde von den Ruten entfernt, zeigen sie ihr helles Inneres; bleibt sie drauf, changieren die Farben der Ruten von hellbraun über grün bis zu dunkelbraun. Das ermöglicht viel gestalterische Farbfreiheit.
Auch der Formgebung sind kaum Grenzen gesetzt. Ob kleine geflochtene Eierbecher, handliche, gefertigte Einkaufskörbe oder im Wortsinne riesengroße Statuen (eine Künstlerin aus Belgien stellt Riesen-Figuren her) – mit Muskelkraft und viel Technik lassen sich aus Weidenruten, geflochtenem Bast von Bäumen wie Birken (der Bast sitzt unter der Rinde) und vielen anderen Materialien Gegenstände in schier unerschöpflicher Vielfalt herstellen.
Im 19. Jahrhundert und bis zum Ersten Weltkrieg war die Korbflechterei im oberfränkischen Dreieck zwischen Lichtenfels, Coburg und Kronach der wichtigste Wirtschaftszweig. Noch heute gibt es in der Region Fabriken und zahlreiche Handwerksbetriebe, die die Tradition des Flechtens hochhalten.
Wer das Flechten erlernen will, kommt an Europas einziger Fachschule für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels nicht vorbei. Drei Jahre dauert die Ausbildung, denn was einfach aussieht, ist tatsächlich große Handwerkskunst. Künstler und Künstlerinnen aus ganz Europa zieht es jedes Jahr für ein Wochenende im September in die Stadt. Der Korbmarkt von früher heißt seit ein paar Jahren "Flecht Kultur Festival" – nicht nur, weil das weniger verstaubt klingt, sondern auch, weil das Rahmenprogramm immer bunter wird. Jazz- und Bluesbands treten auf, die Gäste genießen Bratwurst und Bier aus der Region. Oberfranken ist nicht nur eine Hochburg der Flechtkunst, sondern auch der Braukunst: Fast jedes Dorf hat seine kleine Privatbrauerei mit angeschlossener Gastwirtschaft. Eine Vielfalt an Bieren, die ihresgleichen sucht.