June Huh strahlte über das ganze Gesicht, als er während einer feierlichen Veranstaltung in Helsinki die Fields-Medaille überreicht bekam. Die Medaille ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung für Mathematiker und wird oft als eine Art "Nobelpreis für Mathematik" bezeichnet – mit dem Unterschied, dass Nobelpreise in jedem Jahr vergeben werden, die Fields-Medaille aber nur alle vier Jahre. Damit, dass ihm diese Ehre einmal zuteil werden würde, hatte der 39-Jährige wohl lange selbst nicht gerechnet.
Denn Huhs Weg bis an die Spitze seines Fachs führte über viele Umwege. Lange Zeit hatte er mit Mathematik sogar gar nichts zu tun. Selbst als er die Medaille bekam, war er immer noch nicht sicher, warum genau er überhaupt ausgezeichnet wurde: "Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht", sagte Huh. "Aber ich habe Vermutungen." Der Professor der Princeton-Universität befasst sich vor allem mit komplexen Problemen im Bereich der Kombinatorik in der Algebraischen Geometrie.
Fields-Medaille: Eigentlich wollte June Huh Dichter werden
Geboren wurde Huh in Kalifornien, seine Eltern wanderten dann nach Seoul aus. Sein Vater lehrte dort Statistik, doch die Leidenschaft für Zahlen schien zunächst nicht auf den Sohn überzuspringen. Wenn ihm sein Vater Matheaufgaben stellte, fand Huh immer Wege, sich die Lösungen zu besorgen. Auch seine Schulleistungen waren nur mittelmäßig. "Ich wusste, dass ich schlau war, aber mit meinen Schulnoten konnte ich das nicht nachweisen", sagte er 2017 dem "Quanta Magazine".
Überhaupt fühlte er sich mehr zur Sprache hingezogen. Mit 16 Jahren brach Huh die Schule ab, um Gedichte zu schreiben. Doch auch das erfüllte ihn nicht: Der Schreibprozess fiel dem jungen Poeten schwer, vor allem die Beschäftigung mit seinem eigenen Inneren empfand er oft als deprimierend, erzählte er "Quanta": "Ich wollte jemand sein, der großartige Gedichte schreibt. Aber ich wollte keine großen Gedichte schreiben."

Erst mit 23 Jahren stieg er in die Mathematik ein
Die Idee einer großen Karriere als Poet verwarf er somit schnell. Stattdessen überlegte er, Wissenschaftsjournalist zu werden, und belegte an der Universität Kurse in Astronomie und Physik. Doch auch hier fehlte ihm eine Perspektive: "Ich war allgemein verloren, ich wusste nicht, was ich machen sollte oder worin ich gut bin."
Darüber kam er dann als Student eher zufällig zur Mathematik: Eine Vorlesung des Mathe-Professors Heisuke Hironaka begeisterte ihn. Hironaka lieferte in seine Vorlesungen keine fertigen Antworten, sondern ließ die Studierenden an seinen Überlegungen teilhaben: "Im Grunde hat er einfach darüber gesprochen, worüber er gestern nachgedacht hat." Viele überforderte das, von den 200 Teilnehmer:innen waren am Ende nur noch fünf übrig – einer davon war June Huh. Mit 23 Jahren beschäftigte er sich erstmals mit komplexen mathematischen Problemen, 16 Jahre später erhielt er die höchste Auszeichnung seines Fachs.
Sein Umweg über die Poesie wundert Huh im Nachhinein nicht: "Beides fühlt sich an, als würde man etwas erfassen, was eigentlich schon da ist, nicht wie etwas, das man aus seinem eigenen Verstand erschafft." Der Mathematiker arbeitet täglich nur drei Stunden am Stück, länger schafft er es meist nicht, sich zu konzentrieren – sei es auf mathematische Probleme oder organisatorische Aufgaben. "Dann bin ich erschöpft", sagt er. "Etwas Wertvolles, Bedeutungsvolles, Kreatives zu tun kostet viel Energie."
Quellen: "Quanta Magazine" / "New York Times"