Saturnmond Titan Blick in eine fremde Welt

Als die ersten Lebenszeichen der "Huygens"-Sonde von der Oberfläche des Saturnmondes Titan aus die Erde erreichten, brach im Darmstädter Raumfahrtzentrum Jubel aus. Von den Ergebnissen wurden die Forscher "umgehauen".

Die europäische "Huygens"-Mission zum Saturnmond Titan hat fantastische Daten und Bilder einer fremden Welt geliefert. "Die ersten Ergebnisse haben mich umgehauen", sagte ESA-Wissenschaftsdirektor David Southwood bei der Präsentation in der Darmstädter Raumfahrtkontrollstation Esoc. Alle sechs Geräte hätten fehlerfrei gearbeitet. Getrübt werde der Erfolg vom Ausfall eines der beiden Übertragungskanäle. Dadurch seien Daten der Windmessung und Daten für rund 350 Bilder verloren gegangen, ursprünglich waren 700 Bilder vorgesehen. Ein Großteil der fehlenden Informationen könne jedoch aus Signalen, die auf der Erde aufgezeichnet wurden, rekonstruiert werden.

"Bislang sehen wir nur das Potenzial. Die Auswertung wird noch viele Monate und Jahre dauern", sagte Southwood. Huygens habe knapp 500 Megabyte an Daten geliefert. Den Ausfall des einen Kanals wertete Southwood als "Opfer an die Götter". Spekulationen, die amerikanische Raumsonde "Cassini", über die die Informationen von "Huygens" zur Erde gesendet worden waren, sei falsch programmiert gewesen, wies der Direktor zurück. "Für das, was passiert ist, ist allein die Esa verantwortlich."

Viel Arbeit für die Wissenschaft

Ein Gott habe sich auch als gnädig erwiesen. "Aus dem Signal von 'Huygens', das von 18 Radioteleskopen auf der Erde aufgefangen wurde, können wir bis zu 90 Prozent der Windmessdaten rekonstruieren", sagte Southwood. "Da wartet jede Menge Arbeit auf die Wissenschaftler, aber Wissenschaftler lieben Arbeit, dafür leben sie."

Nach der ersten Auswertung scheinen die Daten die Annahmen der Wissenschaftler zu bestätigen, dass die orangefarbene Oberfläche des Titan aus Methan-Flüssen und Seen sowie kleinen und großen Brocken aus Wassereis besteht, sagte der amerikanische Wissenschaftler Marty Tomasko, der für die Fotos verantwortlich ist. Auf dem Trabanten, auf dem eine Temperatur von bis zu minus 180 Grad herrsche, befänden sich außerdem jede Menge organischer Verbindungen.

Aus diesem Grund wird der Titan immer wieder mit dem Zustand der Erde in ihren Anfängen vor rund 3,8 Milliarden Jahren verglichen. Einige Wissenschaftler und die deutsche Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) halten es für durchaus denkbar, dass sich auch hier Leben entwickeln könnte.

Küstenlandschaft und Bodennebel

Tomasko bat die Öffentlichkeit um Geduld. Die Bearbeitung der Bilder werde noch Wochen dauern. An deren Auswertung arbeiten weltweit Hunderte von Wissenschaftlern, allein bei der Esa sind es rund 150. Tomasko zeigte ein aus mehreren Schwarz-Weißfotos zusammengesetztes Panorama, das dem Anflug über einer Küste ähnelt. Die weißen Flächen könnten Bodennebel sein, sagte Tomasko.

Er vermute, dass "Huygens" auf einer sumpfartigen Fläche aus Kohlenwasserstoffverbindungen und Methan gelandet sei. Das Foto aus seiner Umgebung zeige etwa 15 Zentimeter hohe Steine aus Wassereis, die durch die Perspektive wesentlich größer erscheinen. "Dabei könnte es sich um primitive Vorstufen von Verbindungen handeln, wie sie in der Frühphase der Erde zu Aminosäuren - den Bausteinen des Lebens - geführt haben", sagte Missionsanalytiker Michael Kahn.

Weitere Untersuchungen sollen jetzt klären, ob auf dem Titan tatsächlich Substanzen zu finden sind, die auch in der Ursuppe auf der Erde die Entwicklung des Lebens anleiteten. Flüssiges Wasser, das als Voraussetzung für Leben gilt, gibt es auf dem Titan wegen der extremen Kälte nicht.

Töne aus der Atmosphäre des Titan

Marcello Fulchignoni präsentierte auch Töne aus der Atmosphäre des Titan: ein lautes Rauschen. "Wenn man genau hinhört, sind Unterschiede zu erkennen, aber die genaue Analyse erfordert Zeit." Publikumswirksamer war die zweite Probe, für die sein Team Radarmessungen in Töne umsetzte. Je näher "Huygens" der Oberfläche kam, desto mehr schneller und höher wurde die Melodie, die an aktuelle Discomusik erinnerte. "Sie sind alle zu einer Techno-Party auf dem Titan eingeladen", sagte Fulchignoni.

Die gut drei Milliarden Euro teure amerikanisch-europäische Saturnmission - rund 460 Millionen Euro stammen von der Esa - hat sich für die Raumfahrt als voller Erfolg erwiesen. Und sie ist noch nicht zu Ende. Die Nasa-Sonde "Cassini", die seit Wochen spektakuläre Bilder vom Saturn und seinen über 30 Monden liefert, wird den Planeten bis 2008 mehr als 70 Mal umkreisen. Dabei sind auch 45 Vorbeiflüge am Titan geplant. "Huygens" ist Europas erste Sonde, die ins äußere Sonnensystem reiste. Bis zur Landung am Freitag hatte sie seit ihrem Start im Oktober 1997 rund dreieinhalb Milliarden Kilometer zurückgelegt.

AP · DPA · Reuters
AP/DPA/Reuters

PRODUKTE & TIPPS

Mehr zum Thema