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Großbritannien London hätte beinahe einen größeren Eiffelturm gehabt – doch dann ging alles schief

Der erste Abschnitt des Watkin's Tower wurde auch "London Stump" genannt 
Der erste Abschnitt des Watkin's Tower wurde auch "London Stump" genannt 
© The Public Domain Review
Unternehmer Edward Watkin wollte Besucher nach Wembley locken, also sollte ein Turm nach dem Vorbild des Eiffelturm diese anlocken. Doch der Bau wurde zur Katastrophe. 

Das Wembley Stadium und der dazugehörige Wembley Park sind über Londons Stadtgrenzen hinaus weltbekannt. Doch dort unter dem Rasen des englischen Nationalstadions liegen die Fundamente dessen, was das größte Gebäude der Stadt hätte werden können. Der "Great Tower of London" oder "Watkin's Tower" sollte nach dem Vorbild des Eiffelturms in Paris mit rund 365 Metern Höhe als Wahrzeichen der Stadt dienen.

Stattdessen kam es nur zur ersten Bauphase und einem angefangenem Bau, der als "London Stump" bezeichnet wurde. Später wurde der halbfertige Turm abgerissen und im Jahr 2002 wiederentdeckt, als das neue Wembley Stadion gebaut wurde. Was war also passiert? 

Watkin's Tower: Ein großes Vorhaben

Der Turm entstammte der Idee von Edward Watkin, einem britischen Politiker und Eisenbahnmagnaten. Er war Vorsitzender mehrerer Eisenbahngesellschaften, unter anderem der Metropolitan Railway, deren Netz bis heute zur Londoner U-Bahn gehört. Sein Vater wurde wurde mit Baumwollhandel reich, in den auch er für einige Jahre einstieg, bevor er sich seinen Visionen widmete.

Vor dem Bau des Turms unternahm Watkin nämlich unter anderem den gescheiterten Versuch, einen Tunnel unter dem Ärmelkanal zu bauen – mehr als 100 Jahre vor dem Bau des heutigen Eurotunnels. "Watkin war der geborene Unternehmer und liebte große Ideen – je größer, desto besser", sagt Christopher Costelloe, ein Experte für viktorianische Architektur und Inspektor für historische Gebäude bei der staatlichen Denkmalschutzorganisation Historic England gegenüber CNN. 

"Ich glaube, er neigte dazu, sich so sehr für seine Ideen zu begeistern, dass er sie oft in die Tat umsetzte, bevor er darüber nachdachte, wie praktisch oder finanziell tragfähig sie waren", so der Forscher weiter. Schließlich habe sich der Eiffelturm nach seiner Eröffnung im Jahr 1889 zu einer beliebten Touristenattraktion entwickelt, weshalb die Kosten binnen weniger Monate wieder reingeholt werden konnten. 

Wembley sollte ein Vergnügungspark werden 

Zur gleichen Zeit suchte Watkin nach Möglichkeiten, mehr Fahrgäste für seine Metropolitan Railway zu gewinnen, die später zur Metropolitan Line der Londoner U-Bahn werden sollte. Die Bahn führte durch Wembley, damals noch ein Dorf nordwestlich des Londoner Zentrums, wo Watkin Land erworben hatte, um einen Vergnügungspark anzulegen. 

"Es sollte das Disneyland seiner Zeit werden, oder der Nachfolger der Freizeitparks des frühen 19. Jahrhunderts wie Battersea Park in London oder Tivoli Gardens in Kopenhagen", sagt Costelloe. Also habe sich Watkin gedacht, einen Turm höher als den Eiffelturm zu errichten, um die Menschen über seine Bahn nach Wembley zu locken. Nachdem Watkin Rücksprache mit dem damaligen Premierminister William Ewart Gladstone gehalten hatte, entschied er, ein ähnliches Wahrzeichen auch für London zu errichten.

Watkin schreib einen Design-Wettbewerb aus 

Um seine Pläne durchzusetzen, fragte der Unternehmer sogar Gustave Eiffel selbst. Dieser lehnte jedoch aus patriotischen Gründen ab. Daraufhin schrieb Watkin einen Design-Wettbewerb aus, für den er 68 Einsendungen bekam – viele davon jedoch unrealistisch und nicht umsetzbar. 

Design Nummer 37 hat den Wettbewerb gewonnen
Design Nummer 37 hat den Wettbewerb gewonnen
© The Public Domain Review

Einer sollte bis zu 600 Meter hoch werden und auf ihm sollte ein Zug fahren, der auf einer spiralförmigen Bahn nach oben fuhr. Ein anderer war als "Luftkolonie" mit Himmelsgärten, Museen und Galerien sowie einer Nachbildung der Großen Pyramide an der Spitze konzipiert. Doch das Design Nummer 37 sollte es werden: Er sah fast so aus, wie der Eiffelturm, war allerdings ein bisschen schmäler. Der Designer erhielt dafür ein Preisgeld von 500 Guinee, was heute circa 73.000 Euro entspricht.

Die Kosten stiegen in die Höhe

Der Katalog mit allen Einreichungen wurde 1890 veröffentlicht. Aus ihm ging hervor, dass der Londoner Turm "viel geräumiger" als der Eiffelturm sein und "Restaurants, Theater, Geschäfte, türkische Bäder, Promenaden, Wintergärten und eine Vielzahl anderer Vergnügungen" enthalten würde. Alle über einen elektrischen Aufzug erreichbar, eine damals neuartige Erfindung. Eine Aussichtsplattform sollte einen Panoramablick auf die Stadt geben und astronomische Beobachtungen ermöglichen.

Doch schnell wurden viele dieser Vorhaben eingestampft, da die Kosten immens waren. Auch die Anzahl der Beine wurde von ursprünglich acht auf vier reduziert – wie beim Eiffelturm auch. Im Jahr 1892 begonnen die Bauarbeiten. Der erste Abschnitt war etwa 45 Meter hoch und konnte drei Jahre später fertiggestellt werden. 

Probleme beim Bau 

Der Wembley Park hatte ein Jahr zuvor geöffnet, doch Besucher kamen noch sehr wenige. Und auch der Bau des Turms, der diese ja anziehen sollte, verzögerte sich. Vielmehr noch, er stellte Watkin vor Probleme: "Als sie den ersten Abschnitt fertig gebaut hatten, wurde schnell klar, dass das Gebäude in sich zusammensackte. Nicht so sehr, dass sie es nicht mehr nutzen konnten, aber sie erkannten, dass sie große Probleme bekommen würden, wenn sie es weiter in die Höhe bauen würden, was die Belastung für die Beine erhöhen würde", erzählt Costelloe der CNN. Es stellte sich also heraus, dass der Turm bei einem Weiterbau einstürzen würde. 

Dieser erste Abschnitt wurde zwar mit Aufzügen schon für Besucher zugänglich gemacht, doch reichten 45 Meter keineswegs, um den Panoramablick zu genießen. Mit dem Tod von Watkins im Jahr 1901 war auch der Turm dem Untergang geweiht. "Er war die treibende Kraft hinter dem Projekt", so Costelloe, "und nach seinem Tod blieb nur noch eine rationale Kosten-Nutzen-Rechnung übrig." Es seien schlichtweg zu wenig Besucher gekommen, um die Fertigstellung zu finanzieren. 

Watkins Tower: Mit Dynamit gesprengt 

Ein Jahr nach Watkins Tod wurde der Turm für unsicher erklärt und stillgelegt. Im Jahr 1907 wurde er mit Dynamit gesprengt. Wembley hingegen florierte als Industrie- und Wohnvorort von London. Im Jahr 1923 wurde an der Stelle des Turms ein Stadion errichtet, das später als das ursprüngliche Wembley-Stadion bekannt wurde.

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Tatsächlich wäre "Watkin's Tower", wie er auch genannt wird, heute noch das höchste Gebäude Londons  gewesen. Er hätte jedoch nie den Status des Eiffelturms erreicht, ist sich Costelloe sicher. Wahrscheinlich nicht, sagt Costelloe: "Da er nicht im Zentrum Londons steht, hätte er nie die Art von Fokus gehabt, die der Eiffelturm in Paris hat."

Quellen:CNN, "Public Domain Review"

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