Ursprünglich, so die Meinung der meisten Wissenschaftler:innen, stellten die frühen Menschen über eine lange Zeit alles, was sie zum Leben brauchten, am selben Ort her. Wir kennen etwa aus Schulbüchern die Illustrationen von haarigen Urmenschen-Familien, die auf der Wiese vor einem Höhleneingang gemeinsam ums Feuer sitzen und dort Leder schaben, Fleisch zerteilen, Kleidung herstellen und Steinwerkzeug bearbeiten. Jeder kümmerte sich um das, was anfiel, produziert wurde nur, was die Gruppe selbst brauchte. Eine fast idyllische Szenerie.
Wirkliche Werkstätten habe es erst recht spät in der Geschichte der Menschheit gegeben: "Die Trennung von speziellen Aktivitäten an verschiedenen Orten weist auf die Fähigkeit zur Planung hin, und nach der bisherigen Meinung charakterisiert dies Menschen erst seit 500.000 Jahren", heißt es in einem Artikel des italienisch-spanischen Forschungsteams um Margherita Mussi und Giuseppe Briatico. Doch das stimmt so vielleicht nicht, wie eine neue Entdeckung nun vermuten lässt.
Äthiopien: Frühmenschen schon viel früher spezialisiert als gedacht
Das Forschungsteam um Mussi und Briatico untersuchte eine Fundstelle in Äthiopien, in einem Tal nahe dem Fluss Awash. Dort waren Menschen schon vor 1,2 Millionen Jahren aktiv – und stellten hier professionell Faustkeile aus hartem, scharfen Obsidian her. Viel früher also, als man bisher geglaubt hatte. Die Wissenschaftler:innen schreiben: "Wir haben hier die urzeitliche Landschaft rekonstruiert und konnten zeigen, dass das Areal regelmäßig überflutet wurde. Nachdem der Fluss so eine Menge Obsidiankiesel angespült hatte, begannen die Frühmenschen diese auf neue Weise zu nutzen, sie stellten große Werkzeuge mit scharfen Kanten her."
Römische Mega-Winzerei gefunden

Und zwar nicht nur für den eigenen Bedarf. "Wir zeigen durch statistische Analysen, dass dies eine spezialisierte Tätigkeit war, bei der sehr standardisierte Faustkeile produziert wurden. Dies war eine Werkstatt für Steinwerkzeuge." Es kann davon ausgegangen werden, dass die hochwertigen Faustkeile gehandelt und gegen andere Produkte getauscht wurden. Etwas, das man Menschen erst deutlich später zugetraut hätte. Die Wissenschaftler:innen stellen also die These auf: "Die Frühmenschen hier haben viel mehr getan, als nur auf Veränderungen ihrer Umwelt zu reagieren. Sie haben bewusst neue Gelegenheiten genutzt und neue Techniken und Fähigkeiten ausgebildet."
Quelle: "Nature"