Das schwere Erdbeben in der Nacht zu Mittwoch hat in Mexiko offenbar nicht nur die Pazifikregion rund um den Urlaubsort Acapulco erschüttert, sondern auch die Nerven zahlreicher Menschen. Bewohner und Touristen flüchteten sich nach den Erdstößen der Stärke 7,1 voller Angst aus ihren Häusern und Hotels auf die Straßen. Doch der Anblick, der sich ihnen dort bot, sorgte bei vielen für noch mehr Verunsicherung: Blaues Licht blitzte immer wieder am Himmel auf und erhellte den Horizont.
Augenzeug:innen teilten spektakuläre Videos der Lichterscheinungen in den sozialen Medien. Und schon bald verbreitete sich dort der Hashtag "Apocalipsis", das spanische Wort für den biblischen Begriff "Apokalypse", der das Ende der Welt bezeichnet.
Phänomen seit langer Zeit bekannt
Doch mit der Apokalypse hatten die blauen Blitze nichts zu tun. Man müsse sich keine Sorgen machen, die Lichter seien kein Zeichen dafür, dass die Welt untergehe, versicherte der Physiker Troy Shinbrot von der Rutgers University im US-Bundesstaat New Jersey dem US-Sender NPR. "Wenn dem so wäre, hätte die Apokalypse schon vor tausend Jahren stattgefunden, als das Phänomen zum ersten Mal entdeckt wurde." Die so genannten Erdbebenlichter (EQL) träten ziemlich regelmäßig auf und ihre Sichtungen seien historisch belegt, erklärte Shinbrot.
Einige Wissenschaftler glauben dem Bericht zufolge, dass der Lichtausbruch oder die Leuchtkraft durch die Reibung von Gestein in der Nähe der Erdkruste verursacht wird, wodurch Energie in die Atmosphäre abgegeben werde. Shinbrot habe versucht, das Phänomen in seinem Labor nachzustellen und dabei nach eigenen Angaben Spannungsänderungen gemessen, die dem ähnelten, was passiere, wenn die Erdkruste bei einem Beben ins Rutschen gerate.
Wer wissenschaftlich interessiert sei, solle mit einer Rolle Klebeband in einen dunklen Schrank gehen und dort schnell einen Streifen abziehen, regte der Physiker an. Dann sei ebenfalls ein Lichtschein zu sehen. Shinbrot warnt jedoch davor, Erdbebenlichter und das Klebebandexperiment zu eng miteinander zu verknüpfen, da die Wissenschaftler vieles noch nicht wüssten.
Das bestätigt laut NPR auch die US-Wissenschaftsbehörde U.S. Geological Survey. Auf ihrer Internetseite stelle sie klar: "Geophysiker sind in unterschiedlichem Maße davon überzeugt, dass einzelne Berichte über ungewöhnliches Leuchten nahe dem Zeitpunkt und dem Epizentrums eines Erdbebens tatsächlich EQL darstellen."
Mexiko häufig Schauplatz von Erdbeben
Der Seismologe der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko, Victor Manuel Cruz Atienza, glaubt dem Sender zufolge zwar an das Phänomen, meinte aber, dass der Himmel in der Nacht des Bebens voller elektrischer Aktivität durch einen Regensturm gewesen sei. "Wir können das Erdbeben nicht mit Sicherheit mit der Lichtshow in Verbindung bringen, die wir letzte Nacht gesehen haben, vor allem angesichts des Regensturms, den wir erlebt haben", betonte er gegenüber NPR. Es sei schwierig, auf den Videos, die in den sozialen Medien die Runde machten, den Unterschied zu erkennen.
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Beide Wissenschaftler seien sich jedoch einig, dass es noch weitere Gelegenheiten geben werde, die blauen Blitze am Himmel Mexikos zu sehen, heißt es weiter, wahrscheinlich bereits irgendwann im September. Zu dieser Zeit hätten sich viele der stärksten Beben in dem Land ereignet, darunter eines der Stärke 8,2, das den Bundesstaat Oaxaca vor vier Jahren, am 7. September 2017, erschütterte. Und auch das verheerende Beben der Stärke 8,0 von 1985 in Mexiko-Stadt ereignete sich am 19. September.
Mexiko grenzt an den Atlantischen und den Pazifischen Ozean und gehört zu den Ländern mit der größten seismischen Aktivität der Welt. Das Staatsgebiet erstreckt sich über insgesamt fünf tektonische Platten.
Quellen: NPR, U.S. Geological Survey