Seit knapp zwei Millionen Jahren ist der Mensch in Europa zu Hause. Frühester Vertreter unserer Gattung auf diesem Kontinent war der Homo erectus. Doch wie bewegte er sich? Ging der frühe Ahn aufrecht wie heutige Menschen oder eher vornüber gebeugt? Eine Antwort war bisher kaum möglich, denn die meisten europäischen Funde von Homo erectus waren nur Schädel und Kieferknochen. Und aus denen ließ sich nicht rekonstruieren, wie ihre Besitzer sich fortbewegt hatten. Jetzt konnten Forscher erstmals eine große Wissenslücke schließen: In der Kaukasusrepublik Georgien hat ein internationales Team Bein- und Rumpfknochen von Homo erectus entdeckt und in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" beschrieben.
An der Fundstätte im georgischen Dmanisi gruben die Wissenschaftler Skelett-Teile von drei Erwachsenen und einem Kind aus. Sie fanden Ober- und Unterschenkelknochen, eine Kniescheibe, Teile des Fußes und verschiedene Wirbel. Die Funde sind in bemerkenswert gutem Zustand und mehr als 1,7 Millionen Jahre alt. Und sie zeigen: Die Europäer sind bereits damals ähnlich gelaufen wie moderne Menschen. Allerdings waren sie mit nur etwa 1,50 Meter Größe noch deutlich kleiner. Auch ihr Gehirn war mit 600 bis 800 Kubikzentimetern nur etwa halb so groß wie das Denkorgan des modernen Menschen.
Lange Beine für aufrechten Gang
Als einen der erstaunlichsten Befunde bezeichnen die Anthropologen den Umstand, dass die Skelette von Dmanisi im Wesentlichen bereits die gleichen Körperproportionen wie moderne Menschen hatten. Die Beine sind bedeutend länger als die Arme, und die Oberschenkel sind länger als die Oberarme. Die Wirbelsäule zeigt ebenfalls schon die geschwungene Form eines S, und das Fußgewölbe ist gut ausgebildet. "Alle diese Merkmale sind ein untrügliches für den federnden zweibeinigen Gang, der es erlaubt, weite Strecken gehend, laufend oder rennend zurückzulegen", sagt Professor Christoph Zollikofer vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich. Er gehört dem internationalen Forschungsteam an, das die Funde untersuchte.