Interview Fett und Zucker allerorten

Butterkekse machen dicker als Schwarzwälder Kirsch - die Ökotrophologin Petra Schulze-Lohmann über Fallen der Kinderernährung

stern: Warum gibt es in Deutschland immer mehr Kinder und Jugendliche mit Übergewicht?
Schulze Lohmann: Aus zwei Gründen: Mangel an Bewegung und Fehlernährung. Gerade bei den älteren Kindern konkurrieren Obst und Gemüse mit Fast Food und Fertiggerichten. Und sie futtern Süßigkeiten satt.

Was machen Eltern dicker Kinder falsch?


Die ersten Fehler passieren schon im Säuglings- und Kleinkindalter. Viele Eltern bieten dem Nachwuchs ständig Nahrung an, aus Angst, er könne nicht genug bekommen. Damit machen sie ganz früh das Hunger- und Sättigungsbewusstsein kaputt. Ich sage immer: Nehmt die Butterkekse und Würstchen aus den Buggys. Kinder müssen nicht ständig etwas zu lutschen, nuckeln oder essen haben.

Welche Lebensmittel und Speisen mästen die Kleinen besonders?


Streichwürste wie Leber- und Mettwurst. Die bestehen oft zu 40 Prozent aus Fett. Dann Kinderlebensmittel auf Milchbasis, die stark fett- und zuckerhaltig sind. Dazu zählen viele Kinderquarks und -frischkäsezubereitungen, die gern als Joghurt angesehen werden. Und Süßigkeiten, die nicht nur viel Zucker, sondern auch viel Fett enthalten. Nuss-Nougat-Creme etwa hat über 30 Prozent Fett. Auch bei Schokolade ist der Anteil hoch, bei Croissants, Torten und Eis. Was nur wenige Eltern wissen: Die beliebten Butterkekse haben erheblich mehr Kalorien als Schwarzwälder Kirschtorte: 480 zu 247 Kilokalorien auf 100 Gramm. Oft enthalten Vollkorn-Butterkekse sogar noch mehr Fett: Damit sie nicht so trocken schmecken.

Ist die Milchschnitte so gesund, wie die Werbung behauptet?


Sie enthält zwar auch Kalzium. Aber mit einer Schnitte werden nur etwa sechs Prozent des Tagesbedarfs gedeckt. Sie ist fett- und zuckerreich und somit eine Süßigkeit. Man muss sie den Kuchen zuordnen.

Und die Müsli- und Getreideriegel?


Das sind ebenfalls Süßigkeiten. Sie sind keineswegs gesünder als Schokoriegel, auch wenn sie mit Honig gemacht werden. Honig ist genauso reiner Zucker wie der Industriezucker. Was nicht heißt, dass gar nichts Süßes gegessen werden sollte. Zucker ist an sich nicht gesundheitsschädlich. Aber zu viel Zucker macht halt dick.

Wie viel Zucker enthalten Müslis und andere Frühstückszerealien?


Es gibt welche mit 40 Prozent Zucker. Das muss man sich vorstellen: Fast die Hälfte der Pappschachtel ist mit Zucker gefüllt.

Wie bekommt man Kinder von zuckersüßen Flakes und Knusperflocken weg?


Indem man die Schokopops mit Haferflocken mischt, jeden Tag ein paar Löffel mehr hinzugibt. Es wäre falsch, sie von heute auf morgen nicht mehr zu kaufen.

Sind Gummibärchen gesünder als Schokolade?


Ja. Sie enthalten kein Fett. Man kann sagen: lieber Bärchen als Schokolade!

Wie schädlich sind Cola und Limonade?


Da werden ruck, zuck eine Menge Kalorien weggetrunken: 400 bis 500 pro Liter. Fairerweise muss man aber sagen, dass unverdünnte Fruchtsäfte fast genauso viele Kalorien haben. Extrem gesüßt ist Johannisbeernektar. Da dürfen bis zu 200 Gramm Zucker pro Liter zugesetzt werden. Eltern sollten ihren Kindern lieber mit Wasser verdünnten Fruchtsaft geben.

Worauf sollte man bei den Hauptmahlzeiten achten - generell, nicht nur bei den übergewichtigen Kindern?


Mittags sollte es viel Gemüse geben, dazu Nudeln, Reis oder - noch besser - Kartoffeln. Diese natürlich nicht in Form fettiger Pommes und nicht mit zu viel fetter Soße. Fleisch gehört nur in Maßen auf den Teller. Es sollte fettarm sein, wie zum Beispiel Putenschnitzel. Frikadellen kann man mit geraspeltem Gemüse und Quark strecken.

Spinat und Zucchini sind selten die Leibspeisen von Kindern. Was tun, damit sie dieses Grünzeug essen?


Wenn Kinder Gemüse partout nicht mögen, würde ich versuchen, es püriert unterzumischen. Unter Suppen oder unter Kartoffelbrei zum Beispiel. Eltern sollten ihren Sprösslingen Gemüse wie Paprika und Karotten auch mal roh anbieten. Das mögen sie so oft lieber als gekocht.

Wie viele Mahlzeiten empfehlen Sie?


Fünf am Tag, einschließlich der Zwischenmahlzeiten. Eine davon sollte warm sein.

Sollen Eltern übergewichtigen Kindern die Zwischenmahlzeiten streichen?


Nein. Weil die Kinder solchen Heißhunger bekommen, dass sie bei der nächsten Mahlzeit übermäßig zuschlagen. Doch sollte es eine vernünftige Zwischenmahlzeit sein: ein Apfel und Joghurt sind okay.

Was halten Sie von Fertiggerichten?


Sehr wenig. Die meisten sind fettreich, überwürzt und sehr kalorienreich. Wenn schon Fertiggerichte, dann sollte man sie mit frischem Gemüse aufpeppen.

Kinder essen gern Fast Food. Was gilt es da zu beachten?


Es sollte nur gelegentlich verzehrt werden. Aber es gibt natürlich Unterschiede: Meist bergen Curry- und Bratwurst erheblich mehr Fett als ein Hamburger, der Döner hat am wenigsten Kalorien.

Kann das pummelige Kind Mamas Diät mitmachen?


Nein. Besser ist es, mehr Sport zu treiben, die fett- und zuckerreichen Lebensmittel zu reduzieren und stattdessen viel Obst und Gemüse zu essen. Vom Kalorienzählen bei Kindern halte ich nichts. Das bringt sie nur früh in Diätstress.

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Anette Lache

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