Streiten, aber mit gutem Ausgang: Sechs Methoden können dabei helfen, dass Konflikte nicht zu zermürbenden Schlachten ausufern, sondern bewältigt werden. Die vorgestellten Übungen und mehr zum Thema finden Sie im Buch von Psychiater und Psychotherapeut Eia Asen (siehe Kasten).
Die Vogelperspektive
Versuchen Sie, sich an die letzte unangenehme Auseinandersetzung zu erinnern, die Sie mit jemandem hatten, der Ihnen sehr nahesteht. Stellen Sie sich die Szene möglichst anschaulich vor. Nun stellen Sie sich vor, Sie seien hoch in die Luft geflogen, und betrachten Sie dieselbe Szene von oben - aus der Vogelperspektive. Sie sehen zwei oder mehr Menschen, von denen einer Sie selbst sind, in einer Interaktion. Wirkt das Geschehen aus dieser Perspektive anders auf Sie? Erkennen Sie, welche Rolle Sie spielen? Achten Sie auf die Körpersprache, lauschen Sie dem Klang der Stimme. Reagieren Sie auf die andere Person nur, oder provozieren Sie sie auch? Versuchen Sie, das, was die eine Person sagt und tut, in Beziehung zu dem zu sehen, was die andere sagt und tut.
Üben Sie dies einige Male und vergegenwärtigen Sie sich auf diese Weise verschiedene Streitgespräche. Wenn Sie sich dann das nächste Mal mitten in einem Familienstreit befinden, können Sie versuchen, sich in die Vogelperspektive zu versetzen und festzustellen, ob sich die Situation dadurch verändert.
Den neuralgischen Punkt finden
Gibt es etwas, das bei Ihnen die Sicherungen durchbrennen lässt? Oft ist uns nicht klar, was unsere Wutausbrüche auslöst. Die spezifischen Auslöser zu kennen hilft uns, solche Explosionen zu vermeiden. Wir können konstruktiv darüber nachdenken, wie sich etwas ändern ließe: Was muss ein Mitglied Ihrer Familie sagen oder tun, damit Sie rotsehen? Denken Sie an Ihren letzten Wutausbruch und daran, was Sie davor gesagt und getan haben. Welche Wirkung hatte er auf die Menschen in Ihrer unmittelbaren Umgebung? Denken Sie darüber nach, warum die anderen so auf den Ausbruch reagiert haben.
- Sagen Sie voraus, wann Sie wahrscheinlich das nächste Mal explodieren werden.
- Denken Sie darüber nach, was Sie tun können, um solche Explosionen zu vermeiden. Versuchen Sie zum Beispiel, Dinge, die Sie in der Regel aufregen, nicht zu ernst zu nehmen. Lenken Sie sich ab, indem Sie sich einer anderen Aktivität -zuwenden. Oder meiden Sie die betreffende Situation völlig.
- Sprechen Sie mit Ihrer Familie bzw. Ihrem Partner offen über das Problem.
- Bitten Sie die Betreffenden, nichts zu tun, was bei Ihnen einen Ausbruch auslösen könnte.
- Üben Sie, sich zu beherrschen.
Zum Weiterlesen
Eia Asen ist Psychiater und Psychotherapeut und Direktor des Marlborough Family Service, eines ambulanten Therapiezentrums in London.
Die vorgestellten Übungen und mehr zum Thema finden Sie in seinem Buch:
Eia Asen: "So gelingt Familie. Hilfen für den alltäglichen Wahnsinn"
, Carl-Auer Verlag, 2008, 196 Seiten, 19,95 Euro.
Wiederholen in Zeitlupe
Wenn wir uns ein Video anschauen, möchten wir manchmal den Ablauf einer bestimmten Szene genau studieren. Wir spulen dann das Band zurück und schauen uns die Szene mehrmals an, und zwar möglichst in Zeitlupe. Ebenso kann man sich im Geiste ein imaginäres Video von einem Streit, der eskaliert ist, mehrfach anschauen und es studieren. Versuchen Sie herauszufinden, was unmittelbar davor geschah. Bewegen Sie sich auf diese Weise zeitlich Schritt für Schritt rückwärts, und schreiben Sie die Sequenz komplett von ihrem Ende bis zum Anfang auf. Versuchen Sie nun, den Punkt in der Szene zu finden, an dem Sie die Eskalation noch hätten verhindern können, und denken Sie darüber nach, wie die andere Person dies aufgenommen hätte. Einer Konfrontation können Sie ausweichen, indem Sie
- den Ton Ihrer Stimme verändern,
- zurückweichen oder nachgeben,
- die Situation durch Ablenkung der anderen Person entschärfen,
- den Raum oder das Haus verlassen.
Wenn Sie das nächste Mal eine dieser Streitereien erleben, die regelmäßig eskalieren, dann versuchen Sie, Ihren Erkenntnissen entsprechend zu handeln.
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Vier Minuten für jeden
Um Streitigkeiten zu stoppen oder ihre Eskalation zu verhindern, muss etwas "Untypisches" geschehen, das die eingefahrenen Gleise verlässt. Eine gute Methode, dies zu erreichen, ist die Übung "Vier Minuten für jeden":
In einer ruhigen Situation erklären sich beide Beteiligte bereit, im Rahmen eines einwöchigen Experiments beim nächsten Konflikt den Zauberspruch "Vier Minuten für jeden" auszusprechen. Dann darf eine der beiden Parteien vier Minuten lang alles sagen, was sie sagen will, während die andere Partei zuhört und konsequent schweigt. Danach redet die andere Partei vier Minuten lang. Anschließend haben nacheinander beide Seiten das Recht zu antworten - ebenfalls vier Minuten lang. Danach müssen beide Parteien vier Minuten schweigen. Ein "letztes Wort" ist nicht erlaubt. Dieses Ritual dauert genau 20 Minuten, und diese Zeitspanne sollte strikt eingehalten werden. Im eher unwahrscheinlichen Fall, dass einer der beiden Parteien die Argumente (und damit die Munition) ausgehen, wird dem Betreffenden trotzdem die volle Zeitspanne zugestanden. Nach Abschluss dieses Rituals fordern beide Parteien einander auf, sich so spontan wie möglich zu verhalten. Wenn sie wollen, können sie auch zu ihrer alten Form des Streitens zurückkehren.
Feedbackschleife unterbrechen
Denken Sie an einen Streit, den Sie häufig mit Ihren Eltern, Ihrem Partner, Ihren Kindern oder mit anderen Menschen haben. Versuchen Sie herauszufinden, welchen Satz Sie in diesem Streit am häufigsten benutzen (beispielsweise: "Ich muss immer den Abwasch erledigen"). Stellen Sie sich nun vor, welches Feedback diese Äußerung hervorrufen wird, und sagen Sie Ihre Antwort oder Reaktion darauf voraus. Sagen Sie nun die Reaktion der anderen Person auf Ihre Reaktion voraus. Beginnen Sie, das Skript aufzuschreiben. Haben Sie gemerkt, dass Sie dieses Skript schon in- und auswendig kennen? Verändern Sie nun eine Ihrer Standardbemerkungen vom Negativen zum Positiven, und denken Sie darüber nach, wie sich das Skript dadurch verändern könnte.
Schreiben Sie diese Äußerung auf, und üben Sie sie ein, etwa: A: "Ich muss immer den Abwasch erledigen." B: "Ich weiß, und es tut mir leid, dass das so ist. Es muss sich ändern, und zwar sofort."
Advocatus diaboli
Diese Technik hilft, einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Ansichten zu finden:
Wählen Sie ein Problem aus, zu dem ein Kompromiss gefunden werden muss. Beide Partner stellen eine Liste ihrer persönlichen Prioritäten zusammen. Geben Sie Ihre Liste Ihrem Partner und nehmen Sie seine Liste. Tragen Sie Argumente für jeden der Punkte auf der Liste Ihres Partners vor und nennen Sie Gründe, warum die Prioritäten Ihres Partners berechtigt sein könnten. Hören Sie Ihrem Partner zu, während er mit Ihrer Liste genauso verfährt. Legen Sie beide Listen zur Seite, und schweigen Sie gemeinsam fünf Minuten lang. Denken Sie über die Ähnlichkeiten und die Unterschiede zwischen den Listen nach.
Nehmen Sie Ihre eigene Liste wieder in Empfang, und überprüfen Sie, ob sich einige Anliegen Ihres Partners mit Punkten aus Ihrer eigenen Liste in Einklang bringen lassen. Versuchen Sie, zumindest einen Ihrer Punkte umzuformulieren. Fordern Sie Ihren Partner auf, dies ebenfalls zu versuchen. Vergleichen Sie nun Ihre Notizen: Besteht die Chance, dass Sie einen Kompromiss finden?