Bohrungen in der Arktis Erde erwärmt sich rasant

Anhand von Sedimentschichten eines arktischen Sees haben Wissenschaftler einen Einblick in das Klima der vergangenen 200.000 Jahre erhalten. Ihr Ergebnis: In der jüngeren Erdgeschichte ist die Temperatur beispiellos angestiegen - mit dramatischen Auswirkungen auf die Ökosysteme.

Der Temperaturanstieg der vergangenen Jahrzehnte ist in der jüngeren Erdgeschichte beispiellos. Während der vergangenen 200.000 Jahre gab es niemals eine auch nur vergleichbare Wärmeperiode, zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler nach einer Analyse von Bohrkernen in der Arktis.

Forscher von insgesamt fünf nordamerikanischen Hochschulen untersuchten an der kanadischen Baffin-Insel die Schichten, die sich im Lauf der Jahrtausende unter einem kleinen See abgelagert hatten. Mit Hilfe von Bohrkernen förderten die Wissenschaftler Sedimentproben zutage, die aufgrund der eingeschlossenen Pflanzen, Tiere und chemischen Verbindungen Einblick geben in das Klima der letzten 200.000 Jahre. Damit reichen sie um 80.000 Jahre weiter zurück als frühere derartige Bohrkerne. Die Zeitspanne umfasst zwei Eiszeiten und drei Wärmeperioden.

"Diese historische Aufzeichnung zeigt, dass wir die Ökosysteme, von denen wir abhängen, dramatisch beeinflussen", mahnt der Umweltbiologe John Smool von der Queen's Universität im kanadischen Kingston. Die vorigen Jahrzehnte seien während der letzten 200.000 Jahre ökologisch einmalig - zu diesem Schluss kommt auch Neal Michelutti von der Queen's Universität. So ergaben die Sedimentanalysen, dass mehrere Mückenarten, die bei niedrigen Temperaturen gedeihen, während Jahrtausende lang in großer Zahl in dem Areal lebten. Erst ab dem Jahr 1950 begannen die Populationen abzunehmen, und inzwischen sind zwei Arten ganz verschwunden, wie die Forscher im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" berichten. Dagegen breitet sich in dem See nun eine Kieselalge rasant aus, die früher nur sporadisch auftrat.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass der menschliche Fußabdruck langdauernde natürliche Prozesse selbst in entlegenen arktischen Regionen überlagert", sagt Smol. "Die Situation ist weit schlimmer als wir dachten, und das ist erst der Anfang."

AP
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