Klonforscher "Dollys" Vater ausgezeichnet

Ian Wilmut, der Schöpfer des ersten gekonten Säugetiers, des Klonschafs "Dolly", hat den renommierten Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Preis erhalten. Die Entscheidung war nicht unumstritten.

Der "Vater" des Klonschafs Dolly, Ian Wilmut, ist mit dem wichtigsten deutschen Medizinpreis ausgezeichnet worden. Der britische Forscher nahm in der Paulskirche in Frankfurt am Main den Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstädter-Preis für seine Kerntransplantation entgegen, die "die Visionen in der Embryologie grundlegend verändert" habe, wie der Stiftungsrat der Paul-Ehrlich-Stiftung begründete. Die Preisverleihung stieß weiter auf Kritik, da Wilmut zur Erforschung von Erbkrankheiten menschliche Embryonen klonen will, was in Deutschland verboten ist.

Wilmut bekam den mit 100.000 Euro dotierten Preis für seine bahnbrechenden Erkenntnisse, dass sich Zellen auch noch in einem "erwachsenen Stadium umprogrammieren" lassen. Dem Forscher und seinem Team gelang es, einer ausdifferenzierten Zelle wieder die so genannte Totipotenz ihrer embryonalen Vorläuferzelle zu verleihen.

In seiner Laudatio beschrieb Stiftungsmitglied Bernhard Fleckenstein von der Universität Erlangen-Nürnberg Wilmuts jahrzehntelange Grundlagenforschung in der Reproduktionsbiologie, die der Stammzell-Biologie, der Embryonenforschung und der Biotechnologie eine neue Richtung gegeben habe und der künftigen regenerativen Medizin ungeahnte Perspektiven ermögliche. Fleckenstein betonte, Wilmut habe "zum sorgfältigen Umgang mit den neuen Technologien aufgerufen und ist damit seiner ethischen Verpflichtung nachgekommen". Von der Arbeit des Wissenschaftlers würden die Krebsforschung und Bluterkranke profitieren.

Ian Wilmut

Ein Schaf hat ihn weltberühmt gemacht: Der britische Genforscher Ian Wilmut klonte mit "Dolly" 1996 das erste Lamm aus den Zellen eines erwachsenen Tieres. Damit entfachte er eine weltweite Debatte über Ethik und Zukunft des Klonens.

Wilmut studierte Agrarwissenschaften, wurde aber in Biologie mit einer Arbeit über das Einfrieren von Sperma promoviert. Seinen Durchbruch schaffte der Sohn eines Mathematiklehrers 1973 mit der weltweit ersten Schöpfung eines Kalbes aus einem eingefrorenen Embryo, das er sinnigerweise "Frosty" taufte. Seit 1974 arbeitet Wilmut am Roslin-Institut im schottischen Edinburgh. Mitte der 80er Jahre wandte sich der Forscher dem Klonen zu. Zusammen mit dem Zellbiologen Keith Campbell hatte Wilmut 1995 seinen ersten Erfolg mit der neuen Methode: Die aus Embryo-Zellen geklonten Bergschafe "Megan" und "Morag" wurden geboren.

Das nächste Experiment war das Klonschaf "Dolly". Es entstand aus Zellen eines Schaf-Euters, die in eine entkernte Eizelle eingesetzt wurden. Am 5. Juli 1996 erblickte der erste Klon aus den Zellen eines erwachsenen Säugetieres das Licht der Welt. Das Forscherteam vergab den Namen nach der Country-Sängerin Dolly Parton. Öffentlich bekannt wurde das Klon-Schaf erst im Februar 1997, als das Fachjournal "Nature" einen entsprechenden Beitrag von Wilmut veröffentlichte. "Dolly" starb jedoch im Februar 2003 und wurde nur halb so alt wie ein gewöhnliches Schaf.

Im Februar 2005 geriet Wilmut wieder in die Schlagzeilen, als der dreifache Vater eine britische Lizenz zum Klonen menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken erhielt. In Deutschland ist dies verboten. Der Brite hofft, mit Hilfe des Klonens zur besseren Behandlung schwerer Krankheiten beizutragen.

Wilmut für "ehrgeizige Forschung mit Augenmaß"

Zugleich kritisierte Fleckenstein, Deutschland habe seine pharmazeutische Industrie "durch ungenügende gesellschaftliche Akzeptanz der Biotechnologie in weiten Teilen ruiniert, teilweise mit intellektuell grauenhaften Argumenten". Auch der Vorsitzende des Stiftungsrats, der frühere Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper, kritisierte die deutsche Haltung zur Gentechnik: "Man kann nicht restriktive Gesetze machen, die Gentechnik aus dem Land treiben und zugleich Wissenschaft und Wirtschaft beschimpfen, dass sie weggehen." Der Stiftungsrat belohne eine Leistung, die neue Erkenntnisse über das Leben beschere.

Wilmut kündigte an, dass er das Preisgeld in Höhe von 100.000 Euro in die Erforschung bisher unheilbarer Krankheiten stecken werde. In Zukunft werde es noch viel mehr Chancen für die Forschung geben als in der Vergangenheit. Wilmut betonte aber, dass bei der Verwendung neuer Technologien auch Fehler gemacht werden könnten, und mahnte deshalb zur Vorsicht. "Insgesamt glaube ich aber, dass ehrgeizige Forschung, die mit Augenmaß betrieben wird, im kommenden Jahrhundert Großes für die Humanmedizin leisten kann", sagte der britische Forscher.

Ärzte kritisieren Bundesregierung

Gegen die Preisverleihung protestierten rund 40 Demonstranten vor der Paulskirche. Sie forderten die Bundesregierung auf, Zeichen zu setzen gegen eine Preisvergabe, die dem "demokratischen Anti-Klon-Konsens" in den Rücken falle. Die UN-Vollversammlung hatte vergangene Woche mit der Stimme Deutschlands zu einem Klonverbot aufgerufen. Die Hälfte des Preisgeldes für den Paul-Ehrlich-Preis stammt aus dem Bundesgesundheitsministerium.

Der Ärzteverband Marburger Bund erklärte, es sei "mehr als befremdlich, wenn die Bundesregierung mit deutschem Steuergeld einen britischen Wissenschaftler belohnt, dessen Klonvorhaben hier zu Lande mit Strafe bedroht wären". Es sei nicht auszuschließen, dass die Bundesregierung mit dieser Auszeichnung zu einer Aufweichung des strengen Klonverbots beitrage.

AP

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