Maikäfer "Die haben sich langsam hochgeschaukelt"

Vor allem im Süden der Republik brummt es derzeit gewaltig. 2006 ist wieder ein Jahr mit extrem vielen Maikäfern. Forstexperte Alfred Wulf über Deutschland im Maikäfer-Jahr.

Herr Wulf, warum fliegen derzeit so viele Maikäfer?

Beim Auftreten der Käfer hat sich ein fester Rhythmus eingependelt: In einem bestimmten Jahr legen besonders viele von ihnen Eier ab. Die Engerlinge leben drei, vier Jahre im Boden eingegraben. Dann sind die meisten Käfer fertig entwickelt und schwärmen zum Hochzeitsflug aus - ein klassisches "Maikäferjahr" wie derzeit. Nach der Paarung legen sie ihre Eier in den Boden, und der Kreislauf beginnt von vorn. Maikäfer sind heute keine Museumstiere mehr: Seit Mitte der 80er Jahre haben die sich langsam wieder hochgeschaukelt. Und der lange, kalte Winter hat ihnen auch gut getan.

Maikäfer lieben Schnee und Eis?

Frost und Schnee an der Oberfläche machen den Engerlingen und Käfern im Boden wenig aus: Die graben sich einfach tiefer nach unten, wo es nicht mehr friert. Und wenn es lange gleichmäßig kalt bleibt, entwickeln sie sich besser, als wenn die Temperatur auf und ab tanzt.

Und jetzt stürzen sie sich hungrig auf die Bäume?

Einige Wälder sehen zurzeit ziemlich gerupft aus. Es gibt Gebiete in Südhessen und am Oberrhein, bei Mannheim oder Karlsruhe, da können sie die Tiere zu Hunderten vom Baum schütteln. Aber die Käfer selbst machen uns eigentlich weniger Sorgen: Die fressen nur die Blätter, das machen die Bäume mit einem zweiten Trieb im Juni wieder wett. Schlimmer sind die Larven im Boden: Die fressen die feinen Wurzeln ab - der Hungertod für jede Pflanze. Die Engerlinge vom Feldmaikäfer haben es vor allem auf Weinreben und Obstbäume abgesehen, die vom Waldmaikäfer knabbern vor allem die Wurzeln von Eichen und anderen Bäumen an.

Damit macht man sich wenig beliebt ...

In Süddeutschland sind inzwischen etwa 20 000 Hektar betroffen. Winzer, Obstbauern und Forstleute wollen den Käfer bekämpfen. Allerdings ist in Deutschland derzeit kein einziges geeignetes Mittel gegen den Maikäfer zugelassen. Daher laufen jetzt Großversuche mit Hubschraubern an: Gespritzt wird ein natürliches Insektengift aus den Samen des indischen Niembaums. Das tötet die Maikäfer nicht sofort, aber es schwächt die Weibchen so sehr, dass sie kaum noch Eier legen können. In drei, vier Jahren sehen wir dann, ob es was gebracht hat.

Ist das Mittel für andere Tiere oder für Menschen gefährlich?

Für Spaziergänger ist das Niembaum-Öl aus der Luft ungefährlich. Außerdem werden die Flächen abgesperrt, bevor gesprüht wird. Man kann aber nicht ausschließen, dass andere Insekten mit vernichtet werden. Hundertprozentig gezielt wirkt das Mittel nicht.

Ein Breitbandgift im Wald?

Wir suchen auch nach gezielteren Methoden. Zurzeit experimentieren wir daher auch mit einem natürlichen Feind des Maikäfers: Tote Gerstenkörner werden mit einem Pilz geimpft, der Engerlinge und Maikäfer im Boden befällt. Dieses Getreide wird dann auf Obstplantagen, in Weinbergen und im Wald "gesät". Der Pilz keimt aus und bohrt sich in seine Lieblingsbeute.

Die Engerlinge verschimmeln von innen?

Ja, im Labor hat das schon sehr gut funktioniert. Leider haben Maikäfer und Pilz draußen in der Natur verschiedene Vorlieben: Wenn es warm und trocken ist, fühlt der Käfer sich wohl, der Pilz aber nicht. Wahrscheinlich wird das nur eine Lösung für feuchtere Böden...

Im Wald hat der Maikäfer seinen Platz im Öko-System. Warum bekämpft man ihn dort überhaupt?

Die Förster wollen in Deutschland weg vom monotonen Nadelforst hin zu einem natürlichen Laub-Mischwald. Daher werden an vielen Stellen junge Eichen und andere Laubbäume gepflanzt. Auf Flächen mit vielen Maikäfern ist das aber rausgeworfenes Geld, die werden sofort kaputtgefressen.

Vor ein paar Jahrzehnten hat man sich noch über jeden Maikäfer gefreut, jetzt reden einige schon das Ende der Wälder herbei.

Das ist natürlich Unsinn: Maikäfer hat es immer gegeben, und der deutsche Wald wird sicher nicht am Maikäfer sterben. Es sind sicherlich keine kleinen Flächen, die jetzt befallen sind. Aber in den meisten Regionen wird man die Maikäfer weiterhin gern haben und sich freuen, dass es sie noch gibt.

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Das Interview führte Nicole Heißmann

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