Massenaussterben Forscher ergründen ein erschreckendes Phänomen

Nicht etwa Killer-Asteroide oder Vulkanausbrüche sollen zu den größten Ereignissen von Massenaussterben geführt haben. Eine in US-Studie macht ein ganz anderes Naturphänomen als Schuldigen aus: den Meeresspiegel.

Für das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren ist die Ursache wahrscheinlich klar: Ein Asteroid hat wohl das Schicksal der Urzeit-Riesen besiegelt. Aber das gleichzeitige Verschwinden von Tierarten ist in der geologischen Geschichte der Erde häufiger aufgetreten. Und in den meisten anderen Fällen kennt man die Gründe nicht. Eine US-amerikanische Studie zeigt nun: Die Ozeane könnten Schuld gewesen sein - genauer Veränderungen des Wasserstandes und der Sedimente auf dem Grund der Meere. Sie sollen in den vergangenen 500 Millionen Jahren einen großen Einfluss darauf gehabt haben, ob Arten überlebten oder von der Bildfläche verschwanden, schreiben Forscher der Universität in Wisconsin-Madison im Fachblatt "Nature".

Schelfbiotope

Schelf ist die Bezeichnung für den vom Meer überspülten Saum der Kontinente. Von Geowissenschaftlern wir dieser Bereich bis etwa 200 Meter Tiefe noch den Kontinenten zugerechnet. Dort lagern sich auf dem Meeresboden typische Sedimente ab, wie etwa Sand und Kies von den Landflächen. Auch rund 30 Prozent aller Erdölvorkommen sowie andere Bodenschätze befinden sich dort. Mit 30 Millionen Quadratkilometern umfassen die Schelfe 8,3 Prozent des Meeresbodens.

Um den Einfluss des Meeresspiegels auf das Massensterben zu untersuchen, betrachteten der Geologe Shanon Peters und seine Kollegen zwei Typen von Urzeit-Schelfbiotopen (siehe Kasten), die in den Sedimenten der Meere konserviert worden waren. Der erste stammte von Erosionen an Land, der zweite Typ ist zusammengesetzt aus Kalziumcarbonat - Hauptbestandteil etwa des Skeletts von Krebstieren, Korallen und Muscheln. Ozeane dehnen sich als Antwort auf einen Klimawandel oder die Verschiebung der tektonischen Platten der Erde aus oder ziehen sich zurück. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich dann auch die Zusammensetzung der Sedimente und damit auch die Lebensbedingungen der Meerestiere verändert - im schlimmsten Fall kann das zu ihrem Aussterben führen.

Riesige Landflächen waren einst von Wasser geflutet

In den letzten hundert Millionen Jahren haben sich die Ozeane als Antwort auf die Verschiebung der tektonischen Platten und den Klimawandel immer wieder ausgebreitet und zurückgezogen: Es gab Zeiten, da waren riesige Flächen der Kontinente von seichten Meeren bedeckt. So trennten zur Zeit der Dinosaurier Wassermassen Nordamerika fast vollständig ab und Riesen-Haie sowie Mosasaurier trieben ihr Unwesen. Als diese Wasserflächen versickerten, verschwanden viele ihrer Bewohner. Gleichzeitig veränderten sich auch die Sedimente der küstennahen Schelfgebiete und mit ihnen die Lebensbedingungen für Meereslebewesen wie etwa Schnecken und Muscheln. Interessant sei dieses Ergebnis vor allem deshalb, weil es bedeuten könne, dass ein großer Teil des Aussterbens durch nur einen Umweltparameter kontrolliert wird - den Meeresspiegel.

Seit der Entstehung des Lebens vor rund 3,5 Milliarden Jahren gab es nach Schätzungen von Wissenschaftler rund 23 Massenaussterben. Während der letzten 540 Millionen Jahre kam es zu den fünf größten der Erdgeschichte: Bis zu 95 Prozent der Lebewesen wurden dabei ausgerottet. "Unsere Studie, schließt Vulkanausbrüche oder Killer-Asteroiden als Ursachen für ein massenhaftes Aussterben von Spezies nicht aus", sagt Peters, "aber in den meisten Fällen sind sie nicht die Übeltäter." Diese Studie zeige vielmehr einen klaren Zusammenhang zwischen dem Meeresspiegel und dem massenhaften Sterben von Arten. "Sie verrät uns auch etwas darüber, wer bestimmte Schwellenwerte überlebt und wer nicht", so Peters.

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