Eigentlich sind sie Einzelgänger: Ob Gepard, Tiger oder Puma – Großkatzen bleiben lieber für sich. Eine Art jedoch ist anders: Löwen. Komplexe Zusammenschlüsse und Allianzen bestimmen ihr Leben in der afrikanischen Steppe, nur im Schutz des Rudels können sie überleben. Allerdings droht ihnen von Seiten ihrer Artgenossen auch die größte Gefahr. In unberührter Natur sind die häufigste Todesursache der Löwen: andere Löwen.
In einer aufwändigen Multimedia-Präsentation zeigt National Geographic, wie die majestätischen Tiere leben, spielen, jagen und vor allem überleben.
Überlebensformel der Serengeti: dunkle Mähne und Verbündete
Das einzigartige Sozialverhalten der Löwen wird in einer der weltweit längsten Freilandstudien an einer Tierart untersucht, dem "Serengeti Lion Project". 1966 wurde es von dem deutschstämmigen George Schaller ins Leben gerufen, heute leitet es der amerikanische Ökologe Craig Packer. Diese Kontinuität ermöglicht es dem Forscherteam, das Verhalten der Löwen genau zu untersuchen. So fanden sie heraus, dass männliche Löwen leichter die Kontrolle über ein Rudel übernehmen können, wenn sie Koalitionen bilden. Auch ihre Jungen überleben dann länger. Das Nachsehen haben die schwächeren Männchen und deren Nachkommen. Verlieren sie ihre Weibchen, bleibt ihnen nur der Rückzug. Die Jungen werden getötet. Das Fazit der Forscher: Wer in der Steppe Erfolg haben will, sollte eine möglichst dunkle Mähne haben, zwei bis drei starke Partner finden und mit ihnen gemeinsam mindestens zwei Rudel kontrollieren.
Der Löwe "C-Boy" ist den Wissenschaftlern besonders ans Herz gewachsen. Das Männchen kontrollierte mit seinem Partner "Hildur" zwei Rudel und zeugte zahlreiche Nachkommen. Doch die Machtverhältnisse in der Serengeti ändern sich schnell: Vier junge, kraftstrotzende Löwen – von den Forschern die "Killer" genannt – machten den beiden jedoch Revier und Weibchen streitig. "C-Boy", "Hildur" und die "Killer" stehen im Mittelpunkt der Arbeit des Wildlife-Fotografen Michael "Nick" Nichols von National Geographic und des Filmemacher Nathan Williamson. Die zwei Amerikaner dokumentierten das Leben der Löwen aus nächster Nähe: bei der Paarung, auf der Jagd, beim Hungern in der Trockenzeit, an Regentagen und in Gewitternächten.
"Ich will die Menschen über Löwen staunen lassen"
Zwischen Juli 2011 und Januar 2013 begleiteten Nichols und Williamson die Wissenschaftler des "Serengeti Lion Projects" bei ihrer Arbeit. Dabei sind rund 200.000 Aufnahmen und 200 Stunden Videomaterial entstanden. "Ich will die Menschen über die Tiere staunen lassen", sagt Nichols. Seine Aufnahmen zeigen Festmahl und Hungersnot in der Steppe; das Schnurren, Meckern und kehlige Brüllen der Großkatzen, die fragile Balance des Überlebens. Der National Geographic-Fotograf musste lernen, wie Löwen zu denken, Bewegungen vorauszusagen und sie aus nächster Nähe fotografieren zu können. Trotzdem riskierte er viel: "Wenn du nicht aufpasst, bist du tot." Nachdem ein Löwe ihm eines Nachts den Infrarotblitz entrissen hatte, war Nichols immer auf der Hut.
Mit einem ferngesteuertes Spielzeugauto und einem robusten Roboter gelang es ihm und Williamson, unauffällig Nahaufnahmen der Löwen zu machen. Jeweils zwei Kameras wurden auf den Geräten installiert. Nichols kontrollierte das eine, Williamson das andere - so konnten die beiden ihre Foto- und Videoaufnahmen synchronisieren. Der Roboter, sagt Williamson, sei stabil genug, um dem Hieb eines Löwen standzuhalten. "Diese Maßnahmen waren eigentlich nicht nötig – die Löwen ignorierten den Roboter die meiste Zeit." Entstanden sind faszinierende Aufnahmen, die auf eindrucksvolle Weise zeigen, wie die majestätischen Tiere leben, spielen, jagen - und vor allem: wie sie überleben.