Es ist ein grausam faszinierendes Spektakel – und Höhepunkt einer jeden Tierdokumentation, die im Serengeti-Nationalpark gedreht wurde: Jedes Jahr, in etwa zur gleichen Zeit, durchqueren 1,2 Millionen Gnus den Mara-Fluss in Ostafrika. Tausende Tiere verenden dabei qualvoll, sie ertrinken oder werden von Raubtieren wie Krokodilen zerfleischt, die im Wasser lauern und darauf warten, dass ihnen die Beute vor das Maul läuft. Für die Räuber ist die Wanderung der Tiere bequem - sie müssen nur abwarten und zuschnappen.
Den Zuschauer lässt das Schauspiel oft fassungslos zurück. Das Tausendfache Sterben wirkt beklemmend und sinnlos. Bekannt ist, dass die Wanderung der Tiere das Ökosystem zu Land beeinflusst. Forscher haben nun untersucht, welchen Einfluss die Gnu-Kadaver auf das Ökosystem des Flusses haben – und konnten dem Tod der Tiere einen tieferen Sinn entlocken. Das Massensterben ist demnach ein verblüffendes Beispiel für den natürlichen Kreislauf des Lebens. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung veröffentlichte das Team um Amanda Subalusky vom "Cary Institute of Ecosystem Studies" in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).

Die Gnu-Kadaver spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem Fluss
Immerhin 6250 Tiere verenden jedes Jahr in den Fluten des Flusses - das entspricht einer Biomasse von jährlich zehn Wal-Kadavern. Ein Bruchteil der Tiere wird von Krokodilen gefressen. Die übrigen Gnus dienen den Flussfischen als Futter. Über angespülte Kadaver machen sich Landtiere her. In der Regel dauert es zwei bis zehn Wochen bis alle Weichteile der Tiere zersetzt sind, schreiben die Forscher in dem Fachmagazin.
Auch scheinbar nicht verwertbare Teile der Tiere wie Knochen spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem des Flusses. Die Gerippe dienen als Langzeitquelle für Nährstoffe, im Schnitt sind sie nach sieben Jahren zersetzt.
"Das Massen-Ertrinken hat nur einen kleinen Einfluss auf die Gnu-Herde und dezimiert sie lediglich um 0,5 Prozent ihrer gesamten Größe", schreiben die Forscher. "Aber es stellt einen gewaltige Nährstoff-Quelle für den Fluss dar - auf kurze, aber auch lange Sicht."
