Nach Atomkatastrophe Wissenschaftlich nachgewiesen: Hunde in Tschernobyl haben veränderte Gene

Noch immer leben um Tschernobyl verwilderte Hunde
Noch immer leben um Tschernobyl verwilderte Hunde
© Andrei310 / Getty Images
Nach dem Super-GAU von 1986 verließen die Menschen die Region um Tschernobyl – viele Haustiere mussten sie dabei zurücklassen. Die heute verwilderten Hunde, die sich dort seit Generationen vermehrten, liefern Forschern nun wertvolle Erkenntnisse.

Eine Population verwilderter Hunde, die in der Nähe der Sperrzone von Tschernobyl lebt, ermöglichte Wissenschaftlern jetzt einen Einblick in die Auswirkungen der Strahlenbelastung auf mehrere Generationen. Die Strahlung, die in Tschernobyl auch Jahrzehnte nach der Nuklearkatastrophe von 1986 noch vorherrscht, könnte die Genetik der Hunde dort nämlich grundlegend verändert haben, wie eine Studie zeigt.

Interessant für die Forschenden: Auch zwischen den verschiedenen Hunderudeln unterscheiden sich die Veränderungen in der Genetik, da diese unterschiedlichen Strahlungswerten ausgesetzt waren. Die Tiere, die noch in der Sperrzone leben, sind wahrscheinlich Nachkommen von Haustieren. Diese wurden zurückgelassen, als die Bewohner der Umgebung des Tschernobyl-Kraftwerks 1986 in aller Eile flohen und ihr gesamtes Hab und Gut zurücklassen mussten, so Tim Mousseau, Professor an der Universität von South Carolina, gegenüber "ABC News".

Tschernobyl: Verwilderte Hunde weisen Strahlenschäden auf

Die Forschenden nahmen zwischen 2017 und 2019 Blutproben von mehr als 300 Hunden aus der Region, die zwischen 2017 und 2019 an Orten mit unterschiedlichen Kontaminationsgraden eingefangen wurden. Während vor Ort der Bau einer neuen Anlage für den ausgefallenen Atomreaktor begann, kümmerten sich freiwillige Helfer darum, die wilden Hunde zu sterilisieren und medizinisch zu versorgen – dabei nahmen sie dann direkt auch Blutproben.

Viele der Erkrankungen bei den Hunden wurden zuvor schon bei menschlichen Überlebenden der Atombombenabwürfe in Japan während des Zweiten Weltkriegs beobachtet. Zum Beispiel leiden sie vermehrt an Katarakten (Grauer Star, eine Augenerkrankung): Laut Tim Mousseau sind die empfindlichen Augen die ersten Organe, die Anzeichen einer längeren Exposition gegenüber atomarer Strahlung zeigen.

Genetische Veränderungen werden im Detail untersucht

In ihrer Studie unterscheiden die Forschenden verschiedenen Hundepopulationen: Die Hunde in der Stadt Tschernobyl haben einen Hintergrund aus Boxern und Rottweilern, während die Hunde im nahegelegenen Ort Slawutytsch mehr Labrador-Retriever in sich trügen, so Ostrander. Große genetische Variationen innerhalb und zwischen den geografischen Standorten in der Sperrzone von Tschernobyl deuten darauf hin, dass die Hunde nahe beieinander leben, sich zwischen den Standorten bewegen und sich frei vermehren, wie die Studie zeigt.

Überleben konnten die Tiere anscheinend auch durch die Jagd von Wildtieren. Die radioaktive Verseuchung zerstörte zwar große Teile der Wildpopulation in der Region – doch einige Tiere überlebten und pflanzten sich weiter fort. Für Haushunde gab es also genügend Futter, um durch Jagd zu überleben, sie verwilderten und pflanzten sich weiter fort.

Die Forschenden sind nun dabei, die genetische Entwicklung der Hunde in den jüngsten Generationen zu bestimmen und zu untersuchen, wie sie in dieser Zeit überlebt und sich fortgepflanzt haben. Die Wissenschaftler suchen dabei auch nach anderen Entwicklungsanomalien – wie Tumoren oder kleineren Gehirnen. Detaillierte Ergebnisse stehen allerdings noch aus.

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