Ist es ein Rücktritt oder tatsächlich nur eine "prozedurale Änderung"? Überraschend hat die dänische Umweltministerin Colin Hedegaard die Leitung der Weltklimakonferenz in Kopenhagen an den dänischen Regierungschef Lars Løkke Rasmussen abgegeben. Da schon so viele Staats- und Regierungschef für die Schlussberatungen angereist seien, sei es protokollarisch angemessen, dass der Ministerpräsident den Vorsitz von ihr übernehme, sagte die Umweltministerin und bisherige Konferenzleiterin Connie Hedegaard am Mittwoch. Gleichwohl werde sie sich als Sonderbeauftragte Rasmussens im Gespräch mit ihren Kollegen weiter um eine Verhandlungslösung bemühen.
Allerdings war die Konferenzführung Hedegaards alles andere als unumstritten. Sie war vor allem von afrikanischen Ländern kritisiert worden, die Sitzungen parteilich im Interesse der Industrienationen geleitet zu haben. Die Entwicklungsländer drohten sogar mit einem Scheitern des Gipfels, wenn die Industriestaaten keine kurzfristigen und langfristigen Finanzhilfen zusagen sollten. Der Sprecher der in der Gruppe G77 zusammengeschlossenen Länder, Lumumba Stanislaus Di-Aping, reagierte am Mittwoch mit einer entsprechenden Ankündigung in dänischen Medien auf Äußerungen von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Dieser hatte erklärt, es sei auch ein Abkommen ohne langfristige Finanzzusagen denkbar. Di-Aping sagte der Zeitung "Politiken" dazu: "Es müssen konkrete Beträge auf den Tisch. Eine andere Sicherheit gibt es für uns nicht."
Entwicklungsländer drohen mit Scheitern
Ingsesamt ist auch wenige Tage vor dem Ende des Gipfels keine Lösung in Sicht. Die Europäischen Union drohte am Mittwoch sogar, ihre Klimaziele (30 Prozent Reduktion des CO2-Ausstoßes bis 2020) wieder zu reduzieren, wenn andere Industrienationen nicht mitziehen. Möglicherweise gab auch dies zusammen mit den anhaltenden Problemen bei den Gesprächen den Ausschlag für Hedegaard, sich zurückzuziehen. Der schwedische EU-Ratsvorsitz hatte zudem kurz vor ihrem Schritt vor einem Scheitern des Klimatreffens gewarnt. Ziel einer Einigung müsse bleiben, die Erderwärmung auf zwei Grad Celcius gegenüber der vorindustriellen Periode zu begrenzen, sagte der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt vor dem Europaparlament in Straßburg. Ob dies gelingen könne, sei aber nicht sicher.
Alle müssten zu einem Erfolg der Klimakonferenz beitragen, die westlichen Industrienationen, aber auch China und Indien, sagte Reinfeldt weiter. Die EU habe sich zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen und zu Hilfen für die armen Länder verpflichtet. Sie könne aber das Problem nicht alleine lösen. "Nun müssen die anderen nachziehen", forderte er nochmals ausdrücklich.
Die Industriestaaten haben bisher den Löwenanteil des globalen Temperaturanstiegs verursacht, unter dessen Folgen die ärmeren Länder am meisten zu leiden haben. Vor allem die USA wehren sich gegen langfristige Finanzzusagen an die Entwicklungs- und Schwellenländer. Am Donnerstag wird aus Washington zunächst Außenministerin Hillary Clinton und am Freitag zum Konferenzabschluss neben etwa 120 weiteren Staats- und Regierungschefs auch Präsident Barack Obama erwartet. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird nach Kopenhagen reisen.
170 Festnahmen bei Krawallen
Unterdessen hat die dänische Polizei eine Demonstration am Tagungszentrum des Kopenhagener Klimagipfels aufgelöst. Die Sicherheitskräfte gingen mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Demonstranten vor. Wie der Sender TV2 berichtete, versuchten mehrere hundert Demonstranten, die massiven Absperrungen zu durchbrechen. Nach Medienangaben gab es zahlreiche Verletzte. 170 Teilnehmer wurden festgenommen.
Im Tagungszentrum versuchten einige hundert dort zugelassene Gipfelteilnehmer und -beobachter, die Demonstranten vor dem Eingang zu erreichen. Sie wurden am Verlassen des Gebäudes gehindert. Insgesamt wurden die Sicherheitsmaßnahmen beim Klimagipfel massiv verschärft.