Twitter-Rückkehr @realDonaldTrump ist zurück, ebenso die Sorge vor seinen 280 Zeichen

Der frühere US-Präsident Donald Trump
Der frühere US-Präsident Donald Trump
© Andrew Harnik/AP / DPA
Donald Trump darf wieder twittern, lässt aber noch die Finger davon. Aber kann der ehemalige US-Präsident, der es bald wieder sein möchte, der Versuchung widerstehen?

Bedeutet Donald Trumps Rückkehr auf Twitter auch ein Comeback von "covfefe"? Möglicherweise veranschaulicht die rätselhafte Wortschöpfung, die der damalige US-Präsident 2017 wohl versehentlich ins Werk setzte und wieder löschte, am eindrucksvollsten, welches Gewicht seinen dauererregten Kurzbotschaften einst beigemessen wurde, ganz gleich, wie sinnentleert sie auch gewesen sein mögen. 

Seinerzeit beschäftigte das willkürlich wirkende Wortungetüm Redaktionen weltweit, die sich an einer Deutung des Buchstabensalats versuchten. Was könnte der Präsident, seinerzeit vier Monate im Amt, bloß gemeint haben? Der kyptische Tweet wurde im Pressebriefing des Weißen Hauses thematisiert, bis zur Löschung herrschten "sechs Stunden und drei Minuten Internet-Chaos", wie der "Atlantic" noch Jahre später konstatieren sollte. Bis heute gibt es keine belastbare Antwort auf die Frage, was "covfefe" bedeutet haben könnte, jedenfalls bleibt sie auch der eigens erstellte Wikipedia-Artikel schuldig.

Natürlich hat es weitaus kontroversere Tweets des früheren Präsidenten gegeben, der dort bisweilen Militärschläge ankündigte oder Kabinettsmitglieder kündigte, und mit weitaus größeren Folgen. Schließlich wurde er vom Kurznachrichtendienst verbannt, nachdem er Wohlwollen für seine randalierenden Anhänger bekundet hatte, die im Januar 2021 gewaltsam das Kapitol in Washington gestürmt hatten. Das "Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt" sei zu groß, hieß es seitens Twitter dazu.

Nun ist "@realDonaldTrump" zurück, zumindest theoretisch. Seit Sonntag ist das Profil des Ex-Präsidenten wieder freigeschaltet, doch (noch) nicht mehr als eine Zeitkapsel: Trump hat seit der umstrittenen Rehabilitation durch den ebenso umstrittenen Twitter-Chef Elon Musk nicht wieder in die Tasten gegriffen, sein letzter sichtbarer Tweet datiert auf den 8. Januar 2021. Darin gab er bekannt, dass die Amtseinführung Joe Bidens ohne sein Beisein stattfinden werde. 

Will er etwa nicht zurück? Und wenn doch, worauf wartet er? Wieder nimmt eine wortreiche Debatte ihren Lauf, von welcher Tragweite die maximal 280 schlanken Zeichen von Trump sein könnten, der zwar nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten ist, es aber wieder werden will. Und wieder ist die kollektive Bangnis groß: Kehren mit Trump auch die unzähligen Lügen und Hasskommentare in kompakten Happen zurück?

"Brutstätte von Hass, Belästigung und Hetze"

Die einen sagen so, die anderen so. Trump sagt: "Ich sehe keinen Grund dafür". Einem Comeback auf Twitter erteilte er am Sonntag zunächst eine Absage, ohne es vollständig auszuschließen. Er wolle Truth Social treu bleiben, das seiner Meinung nach ohnehin eine bessere Benutzerbindung habe und "phänomenal gut" laufe. 

Trump hatte das alternative Netzwerk eigens ins Leben gerufen, um den Verlust seiner Präsenz auf Twitter, Facebook und anderen Kanälen wettzumachen – und seine eigene Wahrheit zu verbreiten. "Wir leben in einer Welt, in der die Taliban eine riesige Präsenz auf Twitter haben, aber euer liebster amerikanischer Präsident zum Schweigen gebracht wurde", erklärte Trump seinerzeit

Auf der Plattform, auf der seitdem vor allem seine Fans, Konservative und Rechte frei drehen, bringt es Trump auf 4,6 Millionen Follower. Im September verzeichnete die Website rund 1,7 Millionen Besucher aus den USA, wie das Internet-Analyse-Unternehmen Similarweb schätzt, und taugt für Trump folglich nicht als gewaltiger Multiplikator seiner Ansichten. Auf Twitter hingegen verfolgten rund 89 Millionen Accounts, was der frühere Präsident so treibt. Nun, nach Aufhebung der Sperre, sind es mit 87,3 Millionen nur unbedeutend weniger. 

Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass Trump mit Blick auf auf seine Präsidentschaftskandidatur wieder zu jenem Megaphon greift, das ihm einst aus der Hand genommen wurde, um seine Ansichten massenwirksam zu verbreiten. Sollte er dort jene Inhalte teilen, die er auf Truth Social trompetet, könnte er Twitter zu einer "Brutstätte von Hass, Belästigung und Hetze" machen, sagte Joan Donovan, die an Harvards Joan Shorenstein Center in Cambridge unter anderem zu Falschinformationen forscht.

Eine Rückkehr zu Twitter ginge wohl auch mit einem Schub für seine persönliche Marke einher, sagte sie zur "New York Times", könne er dort ein viel breiteres und einflussreicheres Publikum erreichen. "Der Unterschied zwischen Twitter und Truth Social ist nicht nur eine Frage des Ausmaßes. Es ist eine Frage des Einflusses – globale Führer, Journalisten, Prominente, Kulturschaffende, das sind die Leute, die auf Twitter sind", so Donovan. Selbst wenn Trump einfach Links zu seinen Beiträgen auf Truth Social twittern würde, würde dies seine Marke stärken.

Donald Trump und Twitter, eine unheilige Allianz

Dabei sind dem früheren Präsidenten aber offenbar die Hände gebunden, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. Trump ist an Truth Social finanziell beteiligt und laut einer Entscheidung der US-Börsenaufsichtsbehörde vertraglich dazu verpflichtet, seine Beiträge sechs Stunden lang exklusiv auf Truth Social zu stellen. Das berichtete die "New York Times". Allerdings könne er sofort auf jeder Webseite posten, wenn sich die Nachrichten auf politische Botschaften, Spendenaufrufe oder Initiativen zur Stimmenabgaben bezögen. Wie eng oder breit die Definition ausgelegt werden kann, ist unklar. Eine Stellungnahme ließ Truth Social gegenüber der Zeitung unbeantwortet. 

Die renommierte Journalistin Kara Swisher, die als ausgewiesene Expertin für soziale Netzwerke und die Tech-Industrie gilt, meint: Eine Rückkehr Trumps zu Twitter macht keinen Unterschied. Schon jetzt würden seine "Wahrheiten" auf Twitter geteilt, ohne sein Zutun. Dennoch werde er wohl nicht widerstehen können, dort wieder selbst mitzumischen, sagte sie im Interview mit CBS. "Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied macht. Außerdem ist er der ehemalige Präsident, also wird es nicht so einschlagen." 

Brian L. Ott ist da deutlich pessimistischer. In einem Gastbeitrag für die "New York Times" mahnt der Kommunikationswissenschaftler von der Missouri State University und Autor, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen.  

Video: Twitter-Nutzer wollen Trump zurück
Twitter-Nutzer wollen Trump zurück

"Als jemand, der die Twitter-Nutzung von Herrn Trump schon vor seiner Wahl zum Präsidenten untersucht hat, glaube ich, dass seine Rückkehr die verstärkte Verbreitung von Fehlinformationen und Desinformationen, von erniedrigenden und entmenschlichenden Diskursen, von Hassreden und die Erosion demokratischer Normen und Institutionen bedeuten würde", schreibt Ott. Auch könne die "Wahrscheinlichkeit politischer Gewalt" steigen. 

Der Wissenschaftler schreibt von einer unheiligen Allianz, die Trump und Twitter bilden und so gefährlich machten: Die strenge Beschränkung auf 280 Zeichen lässt praktisch keine nachdenklichen oder nachhaltigen Diskussionen zu ernsthaften Themen zu, ist damit nur dazu geeignet, "einfache Botschaften breit und schnell zu kommunizieren". Eine Paradedisziplin Trumps, dessen Tweets mit allerhand Warnhinweisen versehen wurden, weil deren Inhalte in ihrer Hyperfokussierung irreführend oder schlichtweg falsch waren. 

"Einfach ausgedrückt", schreibt Ott, "wenn Sie von trockenem Anzündholz umgeben sind, einen Brandbeschleuniger hinzufügen und ein Streichholz anzünden, ist eine Feuersbrunst das vorhersehbare Ereignis."