Demonstrationen in Bulgarien Polizei muss Politiker aus Parlament befreien

Stundenlang umzingelten regierungskritische Demonstranten das Parlament in Sofia, mehrere Politiker saßen fest. Die Polizei löste die Blockade schließlich auf. Es gab mehrere Verletzte.

Bei neuen Protesten gegen die Regierung sind in der bulgarischen Hauptstadt Sofia in der Nacht zum Mittwoch mehrere Menschen verletzt worden. Mindestens neun Menschen, darunter zwei Polizisten, wurden nach Angaben von Rettungskräften in Krankenhäuser gebracht. Die Demonstranten umringten und blockierten stundenlang das Parlament und hinderten dutzende Menschen daran, das Gebäude zu verlassen.

Vor dem Parlamentsgebäude waren etwa 2000 Menschen versammelt, sie skandierten "Mafia" und "Rücktritt". Nach Angaben des Innenministeriums warfen Protestierende mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen. Demnach habe die Polizei keine Zwangsmaßnahmen ergriffen, um die Kundgebung aufzulösen. Die Protestierenden umzingelten über Stunden das Gebäude, so dass drei Minister, etwa 30 Abgeordnete sowie dutzende Mitarbeiter und Journalisten, die sich darin aufhielten, nicht herauskamen. Insgesamt hielten sich in dem Gebäude nach Polizeiangaben 109 Menschen auf.

Ein Bus, mit dem die Polizei die Eingeschlossenen wegbringen wollte, wurde von den Demonstranten angegriffen, so dass seine Scheiben zu Bruch gingen. Später gelang es der Polizei, die Minister und einige der Abgeordneten aus dem Parlament zu holen und fortzubringen. Die Blockade des Gebäudes dauerte jedoch an. Erst am frühen Morgen konnten schließlich auch alle anderen Eingeschlossenen das Gebäude verlassen, wie der bulgarische Radiosender BNR berichtete. Zu diesem Zeitpunkt sei der Protest abgeflaut gewesen, so dass einige der Betroffenen das Parlament zu Fuß hätten verlassen können.

Parlament setzt Arbeit vorerst aus

Nach den Ausschreitungen vor dem Parlament rief der bulgarische Parlamentspräsident Michail Mikow die Abgeordneten auf, dem Plenarsaal vorerst fernzubleiben. "Das Leben und die Gesundheit der Volksvertreter dürfen nicht gefährdet werden", sagte der Sozialist in der Nacht zum Mittwoch in Sofia. Präsident Rosen Plewneliew rief derweil zur Ruhe auf. Eine "Eskalation der Spannungen" müsse vermieden werden, erklärte er.

Aus Wut über Korruption, Vetternwirtschaft und Verelendung gehen seit dem 14. Juni jeden Abend tausende Bulgaren auf die Straße. Sie fordern den Rücktritt des von den Sozialisten gestützten parteilosen Ministerpräsidenten Plamen Orescharski. Auch der ehemalige bürgerliche Regierungschef Boiko Borissow (GERB) forderte den sofortigen Rücktritt der Regierung. "Nur so können die Menschen beruhigt werden", sagte er der Nachrichtenagentur Focus.

Das Land steckt in einer tiefen politischen Krise, seit die konservative Vorgängerregierung im Februar nach monatelangen Protesten das Handtuch warf. Die vorgezogene Parlamentswahl im Mai brachte eine politische Pattsituation hervor.

DPA
cjf/AFP/DPA