Kronleuchter hängen von Kassettendecken in den Raum. Goldene Säulen schmücken die Eingangspforte zum Konferenzsaal im Sheraton. Dicke Teppiche lassen die Herren auf Wolken gehen, als sie gemessen auf das Podium zuschreiten. Ihre Gesichter sind zu Masken des Ernstes erstarrt.
"Wir machen die Welt sicherer", sagt Jack Sim. Seine markigen Worte kommen hier gut an. Er bekommt viel Applaus aus dem Saal. "In unserer Bewegung führt der Osten den Westen an." Trotzdem freue er sich, dass sich die Bulgaren angeschlossen hätten. Man expandiere beständig, dank der vielen Experten und Enthusiasten. Auch das Wort "Enthusiasten" klingt im Mund des Gründervaters der Welttoilettenorganisation schwer und mächtig.
"Geschmackvolles Leben für die Modellstadt" lautete das Motto des "Ersten Welttoilettenforums" in Shanghai. Insider haben sich über den Zusatz "Erstes Forum" gewundert, denn sie haben bereits im Herbst an der Premiere des "Welttoilettengipfels" in Peking teilgenommen. Premieren kommen gut. Jack Sim kennt sich aus mit Marketing, er hat es studiert. Deshalb kürzt sich seine Organisation auf Englisch genauso ab wie die Welthandelsorganisation: WTO.
Heute ist es egal,
ob Experten über Autos, Mikrobiologie, den Krieg im Irak oder eben Toiletten reden. Sie klingen immer gleich. Schließlich entscheiden Shanghais Toiletten auch über so anscheinend fachfremde Dinge wie den Erfolg der Weltexpo 2010, sagt Jack Sim. Die Stadt wird deshalb die "Kapazitäten" um 2000 "Einheiten" erhöhen und die vorhandenen 3600 "modernisieren".
"Optimale Bedingungen kreieren, um sein Geschäft zu erledigen", lautete der Rednerbeitrag von John Gordon, Marketing Manager bei Rentokil Initial. Auch seine Firma macht die Welt sicherer, mit Windeltonnen, Heißlufttrocknern und Duftspendern.
Der gute alte Spruch "Aus dem Porzellan, zurück ins Porzellan" ist längst überholt. Heute sind Toiletten Happenings. "Wir kreieren für jeden Event die passende Toilette", bewirbt der Bad Wimpfener Künstler Gerhard Bär sein faltbares Kunststoffgehäuse. Er könne sich zum Beispiel eine "Formel 1-Toilette" für das nächste Rennen vorstellen. Vor dem Forum ist er durch Shanghai gezogen, hat Fotos von Toiletten und chinesischen Schriftzügen wie "hier bitte nicht pinkeln" gemacht und zu einer Kollage verarbeitet, die jetzt die Gehäuse seiner mobilen Örtchen überziehen. "Die Toilette kommuniziert mit den Leuten", sagt Gerhard Bär.
Und immer wieder
zitieren die Experten das "Goldene Dreieck" Singapurs. Man könnte es auch das "Braune" nennen, aber "Golden" klingt besser. Es definiert sich über "Management, Wartung und Design". Gemeint ist damit zum Beispiel ein Stadtplan, auf dem Singapurs öffentliche Toiletten mit bis zu fünf "Sternen" klassifiziert sind: Gibt es eine Babyliege? Wie viele Zigarettenstummel wurden innerhalb der vergangenen Jahre gefunden? Hat jemand an die Wand geschmiert? Ab drei Sternen heißt das Pissoir "Happy Toilet".
Der Fachjargon hilft den internationalen Experten bei der Verständigung. Er langweilt niemanden. Die Spezialisten halten drei Tage lang im Sheraton durch - laut Statistik deutlich länger als beim durchschnittlichen Toilettengang. Bei der abschließenden Podiumsdiskussion kommt es dann doch zu Missverständnissen. In Anspielung auf "Hardware" soll über "Heartware" diskutiert werden, was man mit "Ware des Herzens" übersetzen könnte. Die Experten schweifen ab. Sie reden über Exponate der Messe im Nebengebäude: Über die antibakterielle Beschichtung der Komfortzone von Celmac-Brillen oder den Unterschied zwischen Papierhandtüchern und Mehrweg-Rollen. Trotz allem Marketings scheint das vordringlichste Organ beim Toilettengang immer noch nicht das Herz geworden zu sein.