Es geht um einen Posten, den kaum jemand kenne dürfte: Der Italiener Alessandro Chiocchetti ist zum neuen Generalsekretär des Europaparlaments ernannt worden.
Doch die Umstände seiner Berufung auf den Posten rufen Fragen hervor. Es geht um mögliche Hinterzimmerdeals im EU-Politbetrieb, die der Ernennung vorausgegangen sein sollen.
"Große Mehrheit" für neun Generalsekretär des Europaparlaments
Der Posten wird von den 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments sowie fünf sogenannten Quästoren vergeben – also von 19 Parteivertretern. Das Nachrichtenportal "Politico" berichtete, dass der Ernennung Chiocchettis ein Deal vorausgegangen sei, laut dem für die Linken ein Spitzenposten im Parlament geschaffen werden soll.
Platz nehmen im Brüsseler Wartezimmer: Diese Länder kandidieren für den EU-Beitritt

Albanien galt seit dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates im griechischen Thessaloniki 2003 als potenzieller Beitrittskandidat. Sechs Jahre später reichte die Republik auf der Balkanhalbinsel offiziell seinen Mitgliedsantrag ein. Jedoch kam die EU-Kommission 2010 zu dem Schluss, dass das Land die als "Kopenhagener Kriterien" bekannten Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft noch nicht ausreichend erfüllt.
Erst vier Jahre später wurde Albanien der Kandidatenstaus zugesprochen, nachdem es unter anderem die geforderten Justiz- und Verwaltungsreformen durchgeführt hatte. Nicht zuletzt die weit verbreitete Korruption und organisierte Kriminalität blockierten den Prozess.
In einer Mitte Dezember verabschiedeten Erklärung forderten die Staats- und Regierungschefs ihre Kollegen aus den Westbalkanländern zu entschlossenen Reformen auf – ein zügiger Beitritt sei schließlich in beiderseitigem Interesse. Albanien sieht sich allerdings als "Geisel" des Dauer-Streits um Nordmazedonien, wollte die EU die Verhandlungen für beide Staaten gleichzeitig eröffnen.
Foto: Der albanische Ministerpräsident Edi Rama bei einer Pressekonferenz in Brüssel
Einer Parlamentsmitteilung zufolge hatte der EVP-Kandidat Chiocchetti in dem Gremium eine "große Mehrheit" – wer genau für ihn stimmte, blieb aber offen.
Die Grünen und die Sozialdemokraten reagierten mit deutlicher Kritik auf die Postenvergabe. Der Leiter der Parlamentsverwaltung mit mehr als 8000 Mitarbeitern sei ausgewählt worden, nachdem sich jeder Kandidat zehn Minuten lang vorgestellt hätte, sagte Grünen-Vizeparlamentspräsidentin Heidi Hautala. "Dies ist völlig unzureichend und entspricht nicht einmal ansatzweise den Anforderungen für die Besetzung von Führungspositionen im Parlament." "Personalentscheidungen müssen in allen Institutionen der EU nachvollziehbar und transparent getroffen werden", kritisierte der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier. Ein "derartiges Geschacher kann sich keine Verwaltung erlauben"
Bislang war Chiocchetti Kabinettschef der Präsidentin des Europaparlaments Roberta Metsola. Der Generalsekretär des Europarlaments ist der ranghöchste Beamte der Institution. Seit 2009 hat der Deutsche Klaus Welle den Posten inne, Chiocchetti soll ihn am 1. Januar ablösen.