Gazastreifen Die Soldaten ziehen ab

Die israelische Regierung hat erwartungsgemäß die Militärverwaltung im Gazastreifen aufgehoben - und lässt die Synagogen stehen. Damit ist zwar der Weg für den Abzug der israelischen Soldaten frei, doch das Ende des Terrors ist es nicht.

Die israelische Regierung hat am Sonntag nach 38 Jahren Besatzung die Militärverwaltung Israels im Gazastreifen offiziell aufgehoben. Der israelische Rundfunk meldete ferner, die Minister hätten den Abzug der Truppen von der Grenzlinie zu Ägypten gebilligt. Die Abstimmung hatte weitgehend symbolischen Charakter, da alle jüdischen Siedler das Gebiet bereits verlassen haben. Im ägyptischen Grenzgebiet hatte am Samstag bereits die Aufstellung mehrerer hundert ägyptischer Sicherheitskräfte begonnen, die ab sofort den Korridor zum Palästinensergebiet bewachen sollen.

Das israelische Kabinett hat am Sonntag beschlossen, die Synagogen in den geräumten jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen nicht abzureißen. Die Entscheidung fiel mit 14 zu zwei Stimmen bei einer Enthaltung. Es wurde erwartet, dass die Armee nach der Entscheidung über die Zukunft der Synagogen binnen weniger Stunden mit dem Abzug beginnt. Dieser könnte nach Angaben aus Sicherheitskreisen dann am Montag abgeschlossen werden. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon sprach sich gegen einen Abriss aus. Israels Oberstes Gericht hatte dies zwar erlaubt, die Pläne zum Abbruch der Gotteshäuser hatten jedoch in Israel scharfe Kritik von Rabbinern und rechtsorientierten Politikern hervorgerufen. Nun hinterlässt Israel die Gebäude intakt, obwohl ihre Schändung durch militante Palästinenser befürchtet wird.

Harte Reaktion auf Terroranschläge angekündigt

Den Palästinensern drohte Israel harte Gegenmaßnahmen an, falls es nach dem Gaza-Abzug zu Angriffen von Extremisten kommen sollte. Die israelische Antwort werde weitaus schärfer ausfallen als bisher, sagte der Chef für Militäroperationen, Generalmajor Jisrael Siv, am Samstag im Rundfunk. «Schon eine Stunde, nachdem wir das Gebiet verlassen haben, wird es einen strategischen Wandel in unserer Antwort auf jeden Terrorversuch geben», sagte der General. Zuvor hatte bereits der stellvertretende Ministerpräsident Schimon Peres erklärt, die palästinensische Autonomiebehörde müsse gegen Angriffe von Extremisten vorgehen oder die Konsequenzen tragen.

Mit der Aufgabe der jüdischen Siedlungen im Gazastreifen hätten die Palästinenser eine Chance, die sie nicht vertun dürften. Er betonte aber auch, die Palästinenser würden nach dem Abzug der Israelis nicht am Verlassen des Gazastreifens gehindert. «Wir machen kein Gefängnis daraus», sagte Peres.

Zukunft Rafahs ungewiss

Im Lauf des Tages war eine Zeremonie zur Übergabe des Gazastreifens an die Palästinenser geplant. Aus palästinensischen Kreisen verlautete, die Autonomiebehörde wolle daran nicht teilnehmen. Ein Grund dafür sei, dass es noch keine Abkommen zur Zukunft des wichtigen Grenzübergangs Rafah gebe. Israel hat den Übergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten vor einigen Tagen geschlossen. Zu Gesprächen über das weitere Vorgehen wurde der ägyptische Geheimdienstchef Omar Suleiman in Gaza erwartet.

Ägypten begann unterdessen wie vorgesehen mit der Stationierung von Soldaten entlang der Grenze zum Gazastreifen. Jerusalem und Kairo hatten sich auf die Entsendung von 750 ägyptischen Soldaten verständigt, die nach dem israelischen Rückzug die Übergänge zwischen dem palästinensischen Autonomiegebiet und Ägypten sichern sollen. Die Stationierung soll nach Angaben eines ranghohen ägyptischen Beamten im Laufe der kommenden Woche abgeschlossen sein.

Italienischer Journalist entführt

In Deir el Balah im Gazastreifen besetzten am Samstag mehr als 60 bewaffnete Männer zwei Regierungsgebäude und forderten Arbeit bei der Autonomiebehörde, wie Augenzeugen berichteten. Später wurde in der Ortschaft ein italienischer Journalist von maskierten Männern aus seinem Auto heraus entführt und vier Stunden festgehalten. Es handelt sich um einen Korrespondenten der Zeitung «Corriere della Sera». Augenzeugen zufolge stoppten vermummte Bewaffnete das Auto von Lorenzo Cremonesi und zwangen ihn, in ihr Auto einzusteigen. Nach Angaben palästinensischer Sicherheitsbeamter gehörten die Entführer zu den bewaffneten Demonstranten in Deir el Balah.