Doppelt hält besser, dachte sich offenbar "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Denn bei der Europawahl hat der 55-Jährige gleich zweimal gewählt. "Einmal gestern im italienischen Konsulat und einmal heute in einer Hamburger Grundschule", verriet er am Sonntagabend in der Talkshow "Günther Jauch" in der ARD. Di Lorenzo hat einen deutschen und einen italienischen Pass.
Dennoch dürfte er nach dem Europawahlgesetz natürlich nur einmal die Stimme abgeben. Darin heißt es in Paragraf 6: "Das Wahlrecht darf nur einmal und nur persönlich ausgeübt werden. Das gilt auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäischen Parlament wahlberechtigt sind."
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachts der Wahlfälschung gegen di Lorenzo. "Es gibt eine Strafanzeige gegen Herrn di Lorenzo, und wir haben ein Verfahren eingeleitet", sagte eine Sprecherin der Behörde der "Welt.
"Ich möchte demnächst vier Pässe haben"
Auch bei Wolfgang Schäuble (CDU), der früher als Innenminister unter anderem für die Verfassung zuständig war, stieß di Lorenzo in der Sonntagabend-Talkshow "Günther Jauch" auf wenig Verständnis. "Ich gönne es Ihnen ja, ich freue mich ja, dass Sie so eifrig sind", sagte der Bundesfinanzminister, der ebenfalls Studiogast in der Talkrunde war. Aber es könne nicht sein, dass manche Bürger zweimal wählen. "Ins Gefängnis müssen Sie deshalb nicht", schränkte Schäuble ein. Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) liebäugelte augenzwinkernd gar mit noch mehr Stimmen: "Ich möchte demnächst vier Pässe haben."
Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe möglich
Kurios: Das Onlineportal der "Zeit" hatte in einem Artikel erst vor wenigen Tagen auf jene Gesetzeslücke hingewiesen, die eine Doppelwahl möglich machte. "Wer zwei Mal wählt, kann nach Paragraf 107 des Strafgesetzbuches wegen Wahlfälschung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Doch überprüft auch jemand, ob ein Wähler mit doppelter Staatsangehörigkeit - sei es aus Versehen oder willentlich - am Wochenende zwei Wahllokale besucht?", schreibt die "Zeit".
Weiter heißt es in dem Text: "Letztlich ist das Gewissen der Wähler der einzige Schutzmechanismus gegen die Doppelwahl." Das Problem sei sehr gut bekannt, schreibt der Rechtsanwalt Udo Vetter in seinem Blog. "Allerdings sehen Experten derzeit kaum eine Möglichkeit, die doppelte Wahl zu verhindern. Zu unterschiedlich sind die Wahl- und Meldesysteme in den EU-Ländern. Und eine zentrale Wählerdatenbank gibt es schon gar nicht."
Di Lorenzo nutzte diese Lücke wissentlich aus. Nun gelobte er jedoch Besserung: "Ich lasse nächstes Mal eine Wahl weg", versprach er. Gegenüber der "Bild"-Zeitung bedauerte er seine doppelte Stimmabgabe. "Mir tut das aufrichtig leid", sagte der "Zeit"-Chefredakteur. Ihm sei nicht bewusst gewesen, "dass man bei der Europawahl nicht in zwei Ländern abstimmen darf".
Deniz Yücel von der "Taz" hat jedenfalls schon mal eine Geschäftsidee für seinen Journalistenkollegen: