Ikonen des Irak-Krieges Der falsche Kapuzenmann

Von Christoph Reuter
Ali Shlala Qaissi wurde zum Symbol der Gepeinigten in den Folterkellern von Abu Ghreib: Ein Mann mit einer Kapuze steht auf einem Kasten, an seinen Fingern hängen Stromkabel. Die Medien rissen sich um ihn, er gründete eine Opferorganisation. Doch Qaissi war gar nicht der Kapuzenmann.

Es begann mit einem "Klick". Viel mehr wird der Mann unter der Maske nicht mitbekommen haben von dem Moment, in dem die Ikone amerikanischer Grausamkeit geschaffen wurde: das Foto des vermummten Häftlings im Gefängnis von Abu Ghreib, der auf einer Kiste steht, die Arme ausgestreckt, die Hände an Kabeln, von denen er glauben sollte, sie würden ihn mit Stromstößen traktieren, sollte er den Halt verlieren.

Dass sich bereits Ende 2003 entlassene irakische Häftlinge über Misshandlungen beklagten und tausende vollkommen unschuldig ohne Anklage in Gefängnissen und Lagern der US-Armee saßen, kam kaum über Minimeldungen hier und da hinaus. Im Mai 2004 dann die Bilder: kotbeschmierte, nackte, von Hunden bedrohte Gefangene, Schnappschüsse der Folterer aus Abu Ghreib. Und der Mann unter der Maske auf der Kiste.

Der Vermummte wurde zum Symbol der Gepeinigten schlechthin. Und das war das Problem: Ali Shlala Qaissi, einer der gefolterten Gefangenen, behauptete, er sei der Kapuzenmann. "New York Times", "Vanity Fair", "Spiegel" - sie alle widmeten ihm große Porträts. Qaissi gründete in Jordanien die "Association of Victims of American Occupation Prisons", druckte die Silhouette der Kapuzenszene auf seine Visitenkarte. Allein: Er war es nicht.

Die eigene Geschichte nicht wiedergefunden

Als die amerikanische Nachrichtenseite "salon.com" im Frühjahr 2006 weitere Bilder aus Abu Ghreib veröffentlichte, fanden sich Bilder von Qaissi, der an seiner verkrüppelten Hand erkennbar war. Und vom Kapuzenmann, der bereits im Mai 2004 unter seinem korrekten Namen Abdou Hussain Saad Faleh in der "New York Times" erwähnt worden war. Nur hatten die Reporter die Geschichte ihres eigenen Blattes im Archiv nicht wiedergefunden. Faleh ist verschollen.

Qaissi lebt heute immer noch in Jordanien, betreibt immer noch seine Hilfsorganisation. Nur, dass er mittlerweile weniger etwas gegen die Amerikaner hat als vielmehr einen gemeinsamen Feind mit ihnen: die Iraner. Auf seiner Website prangert er die Verbrechen schiitischer Milizen an: "Der Irak wird mittlerweile von zwei Ländern besetzt gehalten, aber die Iraner sind viel schlimmer als die Amerikaner, die töten planvoll Sunniten und greifen jeden an, der für Menschenrechte arbeitet. Wegen denen traue ich mich nicht mehr zurück!"

Von den Amerikanern hat er nie eine Entschädigung erhalten, sagt er. Und dass er gar nicht der Kapuzenmann sei? "Wir wollten gegen die Zeitungen klagen", braust er auf, pausiert: "Aber am Ende ist es doch egal, ob ich nun auf diesem Bild bin oder einem anderen. Ich wurde doch auch gefoltert, das ändert doch nichts." Doch: Denn die Wirklichkeit zählt nicht ohne dieses Bild.