Irakpolitik Labour-Party probt den Aufstand gegen Blairs Kriegskurs

In der britischen Labour Party wächst der Widerstand gegen die Irak-Politik von Premierminister Tony Blair. Sollte er sich einer Militäraktion ohne UN-Mandat anschließen, drohen zahlreiche Abgeordnete seiner Partei mit Revolte.

Bei Krieg ohne UN-Mandat drohen Rücktritte von Regierungsmitgliedern

In der britischen Labour Party wächst der Widerstand gegen die Irak-Politik von Premierminister Tony Blair. Sollte er sich einer Militäraktion ohne UN-Mandat anschließen, könnten mehr als 150 Abgeordnete seiner eigenen Parlamentsfraktion eine Revolte auslösen, sagte der frühere Verteidigungsstaatssekretär Doug Henderson am Sonntag im Fernsehsender GMTV. Nach Zeitungsberichten könnten dann auch mehrere Regierungsmitglieder in unteren Rängen ihre Demission beantragen. Ein parlamentarischer Sekretär trat bereits zurück.

"Meiner Einschätzung nach ist dies eine der kritischsten Phasen in der Geschichte der Labour Party", sagte das Parteimitglied Henderson. Bei einer Abstimmung über Blairs Irak-Politik hatten sich Ende Februar bereits 122 Labour-Abgeordnete gegen ihren Premierminister gestellt, so dass er nur mit den Stimmen von Oppositionspolitikern obsiegte. Es war nicht nur die bislang größte Rebellion der Unterhausfraktion gegen Blair, sondern auch die größte Rebellion einer britischen Regierungspartei gegen ihren Premierminister seit mehr als 100 Jahren.

Der Labour-Abgeordnete Andrew Reed trat am Sonntag von seinem Posten als parlamentarischer Privatsekretär zurück. Reed, der sein Abgeordnetenmandat behält, zählt nach Angaben britischer Sonntagszeitungen zu einer Gruppe von bis zu zehn führenden Minister- Mitarbeitern, die bei einer möglichen Militäraktion ohne eine zweite UN-Resolution ihre Ämter aufgeben wollen.

BBC: Mehr als 200 Abgeordneten-Rebellen möglich

Die Zahl der "Rebellen" könnte nach Einschätzung der BBC bei einer weiteren Abstimmung auf "mehr als 200" steigen. Abgeordnete, die als parlamentarische Privatsekretäre unbezahlt für Minister tätig sind, gelten als Regierungsmitglieder auf unterer Ebene. Sie teilen nach Angaben der BBC "häufig die politischen Ansichten" der Kabinettsmitglieder, für die sie arbeiteten.

Britische Zeitungen hatten am Sonntag namentlich bis zu sechs Privatsekretäre genannt, die sich mit Rücktrittsgedanken tragen. Laut BBC ist nicht auszuschließen, dass in den nächsten Tagen auch Kabinettsmitglieder aus Protest gegen den Irak-Kurs von Blair zurücktreten könnten. Die Namen von Entwicklungshilfeministerin Clare Short und Fraktionsführer Robin Cook, der Kabinettsrang hat, werden immer wieder genannt.

Bis jetzt 40.000 Labour-Mitglieder wegen Kriegskurs ausgetreten

Laut der "Mail on Sunday" sind wegen der Irak-Politik Blairs bis jetzt 40.000 Labour-Mitglieder aus der Partei ausgetreten. In verschiedenen Wahlkreisen sei die Wiederwahl von Labour-Abgeordneten gefährdet, berichtete die Zeitung. Die Mitgliedschaft der Labour- Partei ist nach offiziellen Angaben laut "Mail" von 405.000 im Jahr 1997 auf etwa 272.000 geschrumpft.

Nach Angaben der Regierung hat Blair am Wochenende in zahlreichen Telefonaten seine Bemühungen fortgesetzt, unentschiedene UN- Sicherheitsratsmitglieder zu einer Zustimmung zu der von den USA, Großbritannien und Spanien eingebrachten zweiten Irak-Resolution zu bewegen. Darin wird Saddam Hussein eine Abrüstungsfrist bis zum 17. März gesetzt. Außenminister Jack Straw zeigte sich am Samstag zuversichtlich, dass London dieses Ziel "durch den Austausch von Argumenten" erreichen wird.

Nach britischem Recht braucht Blair keine Zustimmung des Parlaments für eine Beteiligung an einer Militäraktion. Er hat jedoch zugesagt, die Abgeordneten darüber abstimmen zu lassen - möglicherweise aber erst nach Kriegsbeginn, weil sonst die Sicherheit der britischen Soldaten gefährdet werden könnte.

In Manchester hatten am Samstag mehr als 10.000 Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg demonstriert. Auch in anderen Städten, darunter Bristol, Newcastle und Birmingham, gab es Demonstrationen.