Krieg in der Ukraine Panzer im Süden gesichtet: Haben Kiews Truppen die russische Verteidigungslinie durchbrochen?

Ukraine Soldaten
Ukrainische Soldaten der 3. Sturmbrigade an der Front in der Nähe von Andrijewka in der Region Donezk.
© Mstyslav Chernov/AP / DPA
Die ukrainische Offensive läuft und hinter dem russischen Abwehrbollwerk werden erste ukrainische Panzer gesehen. Auch im Hinterland des Gegners schlagen Saboteure zu.

Die Erfolge der ukrainischen Offensive lassen sich in Metern messen, nicht in Kilometern, urteilten Militärexperten im Sommer. Mittlerweile sind eher Dörfer eine angemessene Maßeinheit und sollte Kiews Armee weiter Fortschritte machen, dann dürften auch wieder Städte von der russischen Besatzung befreit werden. Noch ist es nicht soweit, aber nach Einschätzung von US-Militärexperten sind im Gebiet Saporischschja, im Süden des Landes, erstmals ukrainische Panzerfahrzeuge jenseits der letzten russischen Abwehrlinie gesichtet worden. Allerdings sei es zu früh, um sicher zu sagen, dass diese russische Verteidigungslinie durchbrochen sei, schreibt das Institut für Kriegsstudien ISW.

Massives Abwehrbollwerk

Bei dem Ort Robotyne hat sich die ukrainische Armee seit Juli am weitesten durch die gestaffelten russischen Verteidigungslinien hindurchgearbeitet. Dort haben sich die russischen Truppen in weitverzweigten Schützengräben verschanzt. Panzer werden mit Minen, Gräben und dreieckigen Betonsperren, sogenannten Drachenzähnen, abgewehrt. Die massiv und klug ausgebauten Bollwerke gelten als Hauptgrund dafür, dass die seit dem Frühsommer laufende Gegenoffensive der Ukraine eher schleppend vorankommt.

Mittlerweile versuchen die Truppen die russische Seite zu zermürben. Im Fokus stehen dabei Angriffe auf die Artillerie, zudem gelingt es den verhältnismäßig kleinen ukrainischen Einheiten unverhältnismäßig großen Schaden anzurichten. Da die Ukrainer weitgehend ohne Luftunterstützung agieren, wurden die russischen Stellungen erst sturmreif geschossen, dann mit kleinen Trupps von Fußsoldaten besetzt. Das Auftauchen ukrainischer Panzerfahrzeuge hinter der Verteidigungslinie belegt nach ISW-Einschätzung, dass diese sich dort jetzt wieder freier bewegen können.

Ziel der Ukraine: Asowsches Meer

Auch gelingt es den Ukrainern immer häufiger mit Präzisionsangriffen Ziele auf der besetzten Halbinsel Krim zu treffen. Der jüngste Erfolg: ein Marschflugkörper hat das Hauptquartier der Schwarzmeerflotte in der Hafenstadt Sewastopol getroffen – gefolgt von einer "beispiellosen" Cyberattacke, wie es in russischen Kreisen heißt. Das eigentliche Ziel ist zum Asowschen Meer vorzudringen und die Landverbindung der Russen zur Halbinsel Krim abzuschneiden. Allerdings ist das Meer immer noch etwa 100 Kilometer entfernt. Experten bezweifeln, dass die ukrainischen Truppen ihr Vorhaben noch in diesem Jahr erreichen.

Beide Seiten versuchen laut britischen Militärexperten, durch Angriffe im Hinterland des Gegners einen Vorteil zu erlangen, zum Beispiel durch Sabotageakte. Kürzlich wurden auf dem streng bewachten Flugplatz Tschkalowski bei Moskau ein Hubschrauber und zwei Flugzeuge durch Sprengstoff zerstört und beschädigt. Diese gehörten zum 354. Flugregiment, das an der Drohnenbekämpfung rund um Moskau beteiligt war. Laut einem Geheimdienstbericht des britischen Verteidigungsministeriums ist der Kreml darüber nicht erfreut, da der Flugplatz "ein sensibler Ort ist, der spezialisierte Militärflugzeuge und VIP-Transportmittel für den russischen Führungszirkel beherbergt".

nik