Last Call Peitsch mich, Darling! Es ist Valentinstag

Last Call: Peitsch mich, Darling! Es ist Valentinstag

Der Valentinstag war früher eine vornehmlich britische und später auch amerikanische Angelegenheit. Inzwischen verbreitet sich die Festivität schneller als die Vogelgrippe. Man kommt am Valentinstag nicht vorbei. In Amerika habe ich den Valentinstag regelmäßig verdrängt, obwohl das eigentlich gar nicht geht, weil Frauen und Männer schon wenigstens zwei Wochen vorab mit dem Datum penetriert werden. Nicht vergessen: Am 14. Februar ist…

In England ist alles etwas dezenter, obschon der Chocolatier Brendan bei uns um die Ecke schon seit einiger Zeit ziemlich aufgeregt ist und genau weiß, was am 14. Februar auf ihn zukommt. Nämlich nervöse Kerle, die auf den letzten Drücker noch Pralinen für Frau oder Freundin besorgen. Es ist stets dasselbe am 14. Februar.

Brendan lässt sich gerne mal was Neues einfallen, neben seinem üblichen Programm. Seit ein paar Wochen verkauft er Schokolade mit Kamasutra-Motiven. Und er trifft offenbar zur Zeit einen Nerv. Denn in diesem Jahr koinzidiert der Tag der Pralinen und Blumen mit der Premiere des Filmes „Fifty Shades of Grey“. Abertausende Frauen, stand in der hiesigen London „Times“, haben bereits Karten vorbestellt für das Porno-chen. Es ist nicht klar, ob sie ihre Männer oder Freunde mitnehmen. Vielleicht warten die zu Hause mit Blumen und Pralinen. In der „Times“ stand außerdem, dass der Film wie geschaffen sei für die Nation, weil der erotische Geschmack der Briten entschieden „more kinky“, versauter, sei als überall anderswo auf der Welt. Sie suchen online 201 Prozent häufiger nach „caning“ (mit dem Holzstöckchen hauen), 43 Prozent häufiger nach „spanking“ (Hintern verhauen) und 35 Prozent häufiger nach „whipping“ (peitschen) als ihre Artgenossen auf dem Kontinent oder den USA.

Briten sind offenbar versauter als der Rest der Welt

Briten seien damit die weltweit größten Ferkel und ergo ein großartiges Publikum für den Film am Valentinstag – „Peitsch mich, Darling“. Diesen Erkenntnisgewinn verdankt die Welt dem Filmverleih „Porn Hub“, der neben expliziten Inhalten auch so etwas wie soziologische Studien be- und vertreibt und das Zahlenwerk veröffentlichte. Das war mir ziemlich neu.

Last Call: Und weniger klassisch: Kamasutra-Schokolade
Und weniger klassisch: Kamasutra-Schokolade

Die Firma führt beispielsweise darüber Buch, wo und wann am meisten was geklickt wird, und aus diesen Daten für das Jahr 2013 geht hervor, dass das bis dahin weitgehend unverdächtige Städtchen Ware in Hertfordshire den größten Bedarf an online-Pornografie hat. Im Durchschnitt verweilt ein Einwohner von Ware zehn Minuten und 37 Sekunden auf der Seite und schaut 7,6 Filme. Wohingegen etwa Menschen aus dem beschaulichen Billingshurst in West Sussex lediglich achteinhalb Minuten auf dem Rammelportal unterwegs sind und damit eine geschlagene Minute unter dem nationalen Mittel liegen. Ware, 18 000 Einwohner, war bis dahin für seinen schönen Fluss und seine pittoresken Sommerhäuser bekannt. Nun weiß die ganze Welt, was abends hinter den Fassaden der pittoresken Sommerhäuser so passiert, zumindest zehneinhalb Minuten lang. Die Suchanfragen lassen sogar Rückschlüsse auf regionale Spezialitäten zu. Menschen aus Sheffield gucken bevorzugt nach „natural tits“, naturbelassenen Brüsten, während Liverpudlians am häufigsten „Teacher“ eingeben. Wahrscheinlich wollen sie noch was lernen.

„Porn Hub“ kommt in Großbritannien im Übrigen auf stattliche 111 Millionen Besucher pro Jahr; das sind fast hundert mal mehr Gäste als die Seite der britischen Regierung generiert. Vielleicht sind dort die Angebote nicht so spannend. Die Regierung sollte mal darüber nachdenken.

Die nackten Zahlen erstaunen mich jedenfalls. Bislang wirkten Briten in diesen Dingen eher etwas rückständig. Das Theaterstück „No Sex Please, We're British“ galt über Jahrzehnte als libidinöser Spiegel der Inselkultur. Von der australischen Feministin Germaine Greer ist nach einem Besuch auf der Insel eine wenig schmeichelhafte Beischlaf-Bilanz überliefert. Der letzte Engländer, mit dem sie ins Bett stieg, habe zu ihr gesagt „Stell dich einfach tot.“ Frau Greer war darüber nicht amüsiert.

Die Anthropologin Kate Fox wiederum kommt in ihrem Standardwerk „Watching the English“ zu dem Ergebnis, Engländer würden Sex einfach nicht ernst nehmen. Die pure Erwähnung des Wörtchens „Sex“ löse sofort eine Witz-Offensive aus. Und schwupps sei die Erotik weg.

Züchtig war gestern. Heute ist Züchtigung

Das scheint sich zu ändern, es ist offenbar etwas in Bewegung geraten. Gerade sorgt eine Gruppe älterer Damen aus Wellington, Somerset, für einige Erregung im Königreich, weil sie eine Sammlung erotischer Geschichten publiziert haben, die inhaltlich an die Sado-Maso-Trilogie von E.L. James erinnern, vermutlich nur besser geschrieben sind und inoffiziell bereits unter „Fifty shades of grey hair“ firmieren. More sex please, we're British ist also keine Frage des Alters. Sondern der Einstellung. Eine Million Briten sind Mitglieder der Seitensprungseite Ashley Madison, die mit dem Slogan „Life is short, have an affair“ wirbt. Neben Kanadiern und Australiern sind sie damit die notorischsten Schwerenöter. Und der üblicherweise etwas trockene „Observer“ veröffentlichte vor einiger Zeit sogar eine Art Sonderbeilage über die Bettgewohnheiten der Inselbevölkerung. Unter dem schönen Rubrum „Performance“ gab mehr als ein Drittel der Befragten an, einen „hohen“ oder sogar „sehr hohen“ Sex-Drive zu besitzen. Ähnliche Werte erzielten Briten auch in puncto Abenteuerlust. Insofern überraschen die Stöckchen und Peitschen im Schlafzimmer auch nicht richtig. Züchtig war gestern, heute ist Züchtigung.

Es ist vor diesem Hintergrund vermutlich kein Zufall, dass ein sehr berühmter und dem Motorsport verbundener Brite diesen erotischen Spielarten überaus zugetan war und sich eigens Damen kommen ließ, die a) Uniformen trugen und ihm b) ein wenig den Po versohlten. Daran hatte der berühmte Brite dann großen Spaß und danach auch alle Engländer, weil es prominent in der Zeitung stand. Den Namen des berühmten Briten darf man zumindest in diesem Zusammenhang leider nicht mehr schreiben. Sonst wird man entweder verklagt oder gepeitscht. Und das ist wirklich das Letzte, was ich will. Bei aller Liebe und nicht mal am Valentinstag.