Menschen, die Mut machen Das Risiko ganz alleine tragen

  • von Philipp Maußhardt
Sie prangert Folter und Entführungen an, verlangt Entschädigung für die Gräuel des Ex-Präsidenten: Jacqueline Moudeina und ihre Organisation ATPDH kämpfen seit vierzehn Jahren für die Menschenrechte im Tschad. Ihre Arbeit ist mühsam, doch erste Erfolge bestärken Moudeina in ihrem Tun.

Das Büro der Organisation mit dem komplizierten Namen "Association Tchadienne pour la Promotion et la Dèfense des Droits de l'Homme" (ATPDH) liegt in einer je nach Jahreszeit staubigen oder schlammigen Seitenstraße der Hauptstadt des Tschad, N´Djamena. Jacqueline Moudeina ist Präsidentin der Menschrechtsorganisation. Die Besucher, die durch den kleinen Innenhof das einstöckige Gebäude betreten, sind in aller Regel Folteropfer oder Verwandte von zum Teil seit Jahren Verschwundenen. Bei der ATPDH erhoffen sie sich Schutz, Aufklärung ihrer Fälle oder aber zumindest ein offenes Ohr. Sie wollen wenigstens erzählen können, was passiert ist. Auf Gerechtigkeit zu hoffen, wäre vermessen.

Menschen, die Mut machen

Überall auf der Welt gibt es Menschen, die anderen helfen und in scheinbar ausweglosen Situationen Mut machen. Menschen, die oft selbst nichts besitzen, wegen ihres sozialen oder politischen Engagements bedroht werden und doch nicht aufgeben. Das Hilfswerk der evangelischen Kirche Deutschlands, "Brot für die Welt", unterstützt diese Menschen. Mit Spenden und mit praktischer Hilfe zur Selbsthilfe. So entstanden unzählige Projekte auf allen Kontinenten. In diesem Jahr feiert die Organisation den 50. Jahrestag ihrer Gründung. stern.de stellt in einer Kooperation mit "Brot für die Welt" 26 Menschen vor, die von der Hilfe aus Deutschland profitiert haben - und nun selber zu Helfern geworden sind: zu Menschen, die Mut machen.

Ein graubärtiger Mann sitzt an diesem frühen Nachmittag in dem kleinen Besprechungszimmer gegenüber von Jacqueline Moudeina. Er wirkt nervös. Keine drei Wochen ist es her, da hatte ihn die Polizei auf der Straße verhaftet. Einen Grund mussten die Beamte nicht nennen. Jeder wusste, warum: Der Mann arbeitet seit 14 Jahren in der Organisation von Jacqueline Moudeina und verlangt hartnäckig nach einer Entschädigung für die Folteropfer und Angehörigen von 40.000 Ermordeten unter dem früheren Präsidenten Hissène Habré. Der ehemalige Diktator lebt heute im Senegal im Exil. Doch viele seiner damaligen Freunde sitzen noch immer in einflussreichen Positionen im Tschad und machen jedem das Leben schwer, der die Verbrechen der Habré-Jahre aufklären will.

Ein Ventilator klappert an der Decke, zwei Neonröhren beleuchten das Zimmer. "Du darfst jetzt nicht aufgeben", sagt Jacqueline Moudeina zu dem Mann vor ihr. "Die Regierung will uns spalten, um uns zu schwächen. Mach weiter. Auch wenn du es nicht mehr erlebst, dass es Gerechtigkeit gibt in diesem Land. Vielleicht erleben es deine Kinder." Der Mann schweigt lange. Dann sagt er: "Ich habe Angst."

Zivilgesellschaft im Tschad stärken

In den Erdölregionen des Tschad engagieren sich Partner von „Brot für die Welt“ für die Rechte der Bevölkerung und für den Frieden. Sie klären die Betroffenen über ihre Rechte auf und bemühen sich um Entschädigungen. Sie unterstützen die Menschen dabei, sich zu organisieren und ihre Interessen gegenüber den internationalen Öl-Konzernen und den Regierungen gewaltfrei zu vertreten. Unterstützt werden Sie dabei von einem Netzwerk aus Entwicklungs-, Menschenrechts-, Friedens- und Umweltorganisationen, zu denen punktuell Politiker, Wissenschaftler, Regierungskommissionen und Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft stoßen. Durch diese Zusammenarbeit ist eine Zivilgesellschaft entstanden, die sich aktiv in das politische Leben einbringt. Die Verhandlungsmacht der Betroffenen wurde gestärkt, Zugänge zu internationaler Politik und Finanzinstitutionen ermöglicht.

Kampf um Gerechtigkeit verlangt Geduld

Die Nacht, nachdem er verhaftet worden war, hat Jacqueline Moudeina nicht geschlafen. Sie rief von ihrem Mobiltelefon aus bei "Brot für die Welt" in Deutschland an, bei MISEREOR, bei "amnesty international" in Frankreich und in England, versandte Emails um die halbe Welt. Am nächsten Morgen wurde ihr Mitarbeiter frei gelassen. Der Kampf um Gerechtigkeit im Tschad verlangt Hartnäckigkeit und Geduld. Jacqueline Moudeina kämpft ihn seit 1994 und sieht ganz allmählich erste Erfolge.

Ohne die Hilfe von ausländischen Organisationen wäre ihr Kampf für eine bessere Zukunft im Tschad längst gescheitert, sagt sie. Neben der finanziellen Unterstützung braucht sie vor allem internationale Aufmerksamkeit; das gibt Mut und schützt ihr Leben. "Es ist zumindest schwerer geworden, uns Angst einzujagen", sagt sie. "FM Liberté", ein von verschiedenen Menschrechtsorganisationen betriebener Radiosender, prangert trotz ständiger Drohungen Menschenrechtsverletzungen im Land an, die auch unter der aktuellen Regierung nie aufgehört haben.

2002 erhielt Moudeina den Martin-Ennals-Preis für die Verteidigung der Menschenrechte. Sie ist dankbar für solche Gesten. "Aber", sagt sie und lächelt dabei, "die Menschen in Brüssel, Paris oder London gehen damit kein Risiko ein. Das müssen wir hier ganz alleine tragen."