Zwölf Tage nach Beginn der Unruhen in Frankreich hat sich erstmals eine leichte Entspannung abgezeichnet. Zwar setzten in der Nacht zum Dienstag erneut im ganzen Land Randalierer Fahrzeuge und Gebäude in Brand. Insgesamt sei die Anzahl der Zwischenfälle jedoch deutlich zurückgegangen, sagte Polizeisprecher Patrick Hamon. Landesweit gingen bis zum frühen Morgen 814 Autos in Flammen auf im Vergleich zu 1400 in der Vornacht. 143 Menschen wurden laut Angaben der Polizei festgenommen. In der Nacht von Sonntag auf Montag waren es noch fast 400 gewesen.
In der Pariser Vorstadt Sevran setzten Jugendliche eine Schule in Brand. In Vitry-sur-Seine wurden Molotow-Cocktails auf ein Krankenhaus geschleudert. Verletzt wurde dabei niemand. In Stains im Nordosten der Hauptstadt ging laut Hamon ein Bus in Flammen auf. In Chenove im Burgund warfen Jugendliche Molotow-Cocktails auf eine Polizeistation. Ein Kindergarten brannte in Lille-Fives im Norden. In der südfranzösischen Stadt Toulouse zwangen Randalierer die Fahrgäste aus einem Bus und zündeten das Fahrzeug an. Als die Polizei eintraf, wurde sie mit Molotow-Cocktails und Steinen beworfen. Bereits in der Nacht zum Montag war es in Toulouse zu schweren Unruhen gekommen, ebenso wie in zahlreichen anderen Städten. Die Gewalt erreichte einen neuen Höhepunkt; insgesamt brannten mehr als 1400 Autos sowie Kirchen, Schulen und Geschäfte. Die Unruhen kosteten auch erstmals ein Menschenleben.
Reaktivierung des Notstandsgesetzes
Am Montagabend kündigte die Regierung die Reaktivierung des Notstandsgesetzes von 1955 an. Premierminister Dominique de Villepin sagte, das Kabinett werde zusammentreten, um die Bestimmungen eines während des Algerienkriegs erlassenen Gesetzes wieder in Kraft zu setzen. Dieses diente zur Verhängung des nationalen Notstands in der damaligen französischen Kolonie. Konkret könnten damit die Präfekten der jeweiligen Départements Ausgehverbote verhängen, "wenn sie es für nützlich halten, um die Ruhe wiederherzustellen und die Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten", sagte Villepin. Der Regierungschef kündigte ferner den Einsatz von 9500 Polizisten in den betroffenen Vorstädten an - 1500 mehr als bisher.
Die Opposition rief die Regierung auf, die Möglichkeit zur Verhängung von Ausgehverboten nicht zu missbrauchen. Der Vorsitzende der Sozialisten, François Hollande, kündigte an, seine Partei werde die korrekte Anwendung des Notstandsgesetzes überwachen. "Dieses Gesetz darf nicht überall angewendet werden, und es darf nicht von Dauer sein", sagte Hollande. Er bezeichnete de Villepins Vorschläge als vage und rief den Premierminister auf, stattdessen mehr für die Verbesserung der Lebensqualität in den Problemvierteln zu tun.