Früher haben die Republikaner für die Befreiung schwarzer Sklaven gekämpft. Heute wollen sie Migranten abschieben. In Europa ist dieser Wandel einer Partei kaum zu verstehen. Warum sind diejenigen, die einen blutigen Bürgerkrieg für die damals Schwächsten geführt haben, heute so hartherzig gegen Migranten in Not?
Zuerst einmal muss man den langen Zeitraum im Hinterkopf behalten. Die republikanische Partei hat sich 1854 formiert – also vor über 170 Jahren.
Sklaverei einst Hauptanliegen der Republikaner
Die Abschaffung beziehungsweise die Einschränkung der Sklaverei war eines der Hauptthemen während der Gründung der republikanischen Partei. Die Versklavung der Schwarzen war nicht der einzige Grund, der zum Sezessionskrieg führte, aber sicher der augenfälligste.
Doch aus welchen Gründen traten die Republikaner und ihre Vorläufer so entschieden gegen die Sklaverei ein? Der Ursprung des Abolitionismus wurzelte nicht in sozialen Beweggründen. Es war umstritten, ob es den ehemaligen Sklaven in der damaligen Zeit als Lohnarbeiter besser gehen würde. Die Ablehnung der Sklaverei hatte primär religiöse, christliche Gründe. Schon im Europa des Mittelalters hatte die Kirche die Sklaverei abgelehnt. Der Schlachtruf der Abolitionisten in den USA lautete nicht "Sklaverei ist unsozial!", er hieß "Sklaverei ist Sünde!".
Dieses Argument greift in der heutigen Einwanderungsdebatte nicht mehr. Mit dem Buch "Onkel Toms Hütte" hatte die religiöse Autorin Harriet Beecher Stowe damals enormen Anteil an der Abschaffung der Sklaverei. Heute sehen Bürgerrechtler die Schriftstellerin überaus kritisch, weil sie den religiösen Hintergrund von Beecher Stowe nicht mehr verstehen, geschweige denn teilen.
Wandel der Parteienlandschaft
Als Institution gibt es die Sklaverei nicht mehr, doch im Laufe der Geschichte haben sich auch die beiden großen amerikanischen Parteien gewandelt. Im 19. Jahrhundert traten die Republikaner nicht nur für das Ende der Sklaverei ein, sondern darüber hinaus für die Gleichberechtigung der schwarzen Mitbürger. Aber dann verschoben sich die politischen Koordinaten. Die Wählerbasis der Demokraten wanderte vom Süden in den Norden, die der Republikaner von den ehemaligen Nordstaaten in die Südstaaten. Und im Süden wurden die Republikaner mit der Politik der Rassentrennung und Diskriminierung in Verbindung gebracht, die bis in die Zeit der Bürgerrechtsbewegung anhielt. Eine Zäsur war das Bundesgesetz gegen die Lynchjustiz im Januar 1922. Verabschiedet wurde es von konservativen Republikanern, und es wurde von anderen Republikanern zu Fall gebracht.
Der "New Deal" des demokratischen Präsidenten Franklin Roosevelt vor dem Zweiten Weltkrieg zog die schwarze Minderheit, die davon wirtschaftlich stark profitierte, dauerhaft in das Lager der Demokraten. Das Bürgerrechtsgesetz in der Zeit von Präsident Lyndon Johnson von 1964 zementierte diese Bindung. Die Bedeutung der Republikaner als der "Partei Lincolns" trat hinter diesen neuen Entwicklungen zurück, auch wegen des inzwischen zeitlichen Abstands.
Sklaverei ist keine Migration
Der Vergleich von Sklaverei und Migration ist ohnehin schief. Die schwarzen Sklaven wurden gegen ihren Willen in die USA verschleppt – auf Initiative ihrer weißen "Herren". Hätten sie selbst entscheiden können, wären sie in Afrika geblieben. Republikaner würden zudem entgegnen, dass sie nichts gegen Migration einzuwenden hätten, wenn diese legal nach klar definierten Kriterien wie etwa in Australien ablaufen würde.
Statt eines radikalen Bruchs zeigen die Republikaner Kontinuität: nämlich die Unterstützung religiöser (weißer) Gruppen. Doch die haben heute andere Interessen als die Sklaverei des 19. Jahrhunderts. Trotz seines eigenen wenig tugendhaften Lebenswandels wird Donald Trump von evangelikalen Christen unterstützt. Baptistenprediger Franklin Graham sagte zwar: "Wir sehen ihn nicht als den Pastor der Nation an." Aber diese Gruppen sehen Trump als Sachwalter ihrer Interessen. Konservative Christen versprechen sich Hilfe von Trump, etwa in der Gender- und Transdebatte. In der Abtreibungsdebatte hält Trump sich zurück. Doch seine Berufungen am Obersten Gerichtshof führten dazu, dass nach knapp 50 Jahren das Urteil "Roe v. Wade" von 1973 gekippt und damit das seit 1973 bestehende Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in den USA aufgehoben wurde.
In seiner ersten Amtszeit war Paula White Trumps Beraterin in Religionsfragen. White stammt aus dem Umfeld der New Apostolic Reformation (NAR) und gilt als "Wohlstandpredigerin". Das Christentum in den USA ist nicht unbedingt das gleiche wie das Christentum in Europa. Einen größeren Gegensatz zum deutschen Protestantismus wie die Predigten von Paula White kann man sich kaum vorstellen. Nach einer Umfrage von Edison Research haben 82 Prozent der weißen evangelikalen Wähler Trump gewählt, 62 Prozent der Protestanten und "anderer Christen" und immerhin auch 58 Prozent der Katholiken. Bei den Christlich-Religiösen schnitt Donald Trump demnach deutlich besser ab als im Endergebnis: Dort führte er mit 49,9 Prozent der abgegebenen Stimmen gegenüber 48,3 Prozent für Harris. Bei den Nicht-Religiösen lagen dagegen die Demokraten mit 71 Prozent vorn.